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Patentwesen / Artikel Übersicht / Weltmeister in der Komb.
 

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Das deutsche Patent: Weltmeister in der Kombination
Ein Fall für „Guinness“
Von Ulrich Werner

"Mitteilungen für deutsche Patentanwälte", 1989, H. 5

I. Vorbemerkung

Das akademische Schattenboxen um die Formulierung des Rückbezugs von Unteransprüchen, ausgetragen in zahlreichen Prüfungsbescheiden, Eingaben und Artikeln (Fußnoten 1,2,3,4,5,6,7) geht weiter, meistens ohne Blessuren für die Beteiligten. Die Prüfer des Deutschen Patentamts einerseits, Kämpfer und Schiedsrichter zugleich, und die Anmelder auf der anderen Seite, meist nachgebende Kämpfer, tun ihr Bestes. Das oberste Kampfgericht (der BGH), selten an(re)visi(on-i)ert, stellt später das Verfahren in Sachen Rückbezug ein, es hat nichts gesehen; auch die letzte Runde ist noch nicht in Sicht.

In einem vor kurzem in dieser Zeitschrift veröffentlichten Artikel(8) wurde dargelegt, daß der Rückbezug im deutschen Patentwesen eine Doppelrolle spielt: im Verfahren vor der Patenterteilung eine mehr oder weniger wichtige, nach rechtskräftig erteiltem Patent keine. Der Widerspruch paßt nicht so recht zu der vielgerühmten „deutschen Gründlichkeit“. Die Ursache für die Beachtung des Rückbezugs im Deutschen Patentamt liegt im Respekt vor einer Vorschrift. Für seine Beachtung im erteilten Patent sind der Verletzungsrichter und der BGH zuständig. In den wenigen Verfahren in Patentsachen, in denen der Rückbezug der Unteransprüche erwähnt wurde, lasen die Richter des BGH's den Rückbezug anders, als bspw. ein Prüfer im Deutschen Patentamt es tun würde, und kamen daher zu einem überraschenden Ergebnis für alle die, die den Rückbezug im Patenbegehren formulieren und prüfen (müssen). Die Patentanmeldeverordnung(9) verlangt den Rückbezug im Unteranspruch. Die gegenwärtig im Verfahren vor dem Deutschen Patentamt praktizierte Art und Weise, die Anordnung zu erfüllen, verursacht Denk-, Schreib- und Prüfarbeit. Sie führt in Bereiche, in denen die erstrebte Wirkung nicht eintritt und worin ein patentrechtliches Schutzrechts-Phantom aufgebaut wird.

II Die Ungewißheit

Die Seltenheit der Streitfälle, bei denen der Rückbezug des Unteranspruchs angesprochen wird, gibt dem Patentinhaber keinen Grund zu einer beruhigenden Mißachtung der Rechtsprechung der in Patentsachen zuständigen Gerichte. Denn er kann nicht einmal vermuten, ob und wann wieder ein Senat des Bundespatentgerichts zuschlägt und ihn in die Schranken seines wörtlich genommenen Rückbezugs weist(10). Auch beim BGH ist - bei allem Respekt vor der Kontinuität seiner Rechtsprechung - nicht mit Sicherheit zu erwarten, daß er die bisherige Beurteilung des Rückbezugs beibehält(11, 12,13, 14, 15). Wird er etwa künftig den Rückbezug genau beachten und nur die Anspruchs-Kombinationen gelten lassen, die der Rückbezug, seinem Wortlaut entsprechend, vorschreibt?

III. Das große Schweigen; bei 40 Quadrillionen?

Mangels einer vom DPA oder der Rechtsprechung empfohlenen und von allen am Verfahren Beteiligten verwendeten einheitlichen Formulierung für den Rückbezug wird er in unterschiedlichen und teilweise strittigen Fassungen angegeben, vom Anmelder aus gesehen in der, die ihm den weitesten Schutz zu geben scheint, vom Prüfer gebilligt in der, die ihm zulässig und klar erscheint. Während eines langen Zeitraums der Entwicklung des jetzt schon 100 Jahre alten deutschen Patentwesens waren die wenigen Unteransprüche und ihr Rückbezug zunächst kein Thema. Erst in den letzten 30 Jahren wurden es immer mehr. Die Zahl der Unteransprüche erreicht inzwischen nicht selten die 50. Mit dem Rückbezug fand man ein einfaches und unauffälliges Mittel, ein umfangreiches Bezugssystem zwischen den einzelnen Ansprüchen herzustellen, das - Wiederholungen vermeidend - eine Vielzahl von Anspruchs-Kombinationen und damit Weiterbildungs-Alternativen der Erfindung in das Schutzbegehren einschloß. Wurde es bisher den Sachkundigen wirklich nicht bewußt, daß die Zahl der Kombinationen mit der Zahl der Unteransprüche exponentiell ansteigt, wenn der (oft verwendete) Pauschal-Rückbezug im Oberbegriff aller Unteransprüche steht? Bei 10 Ansprüchen beträgt sie schon 1 023 (16). Kürzlich wurde mir eine Anmeldung vorgelegt mit 80 Unteransprüchen. Ihrem Rückbezug nach werden über 40 Quadrillionen (4x1025) Anspruchs-Kombinationen beansprucht. Zahlen dieser Größenordnung führen das Rückbezugssystem im deutschen Patentwesen ad absurdum. Vom Prüfer des DPA würde Unmögliches verlangt in der Erwartung, er stelle sich alle eingeschlossenen Ausgestaltungen der Erfindung im einzelnen vor.

IV. Im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten"

In den USA gelten für den Rückbezug strenge Regeln. Der Vielfach-Rückbezug deutscher Art (der Vielfach-Rückbezug auf einen vielfach rückbezogenen Anspruch) ist grundsätzlich ausgeschlossen(17). Die verbleibenden Möglichkeiten, die Zahl der beanspruchten Weiterbildungen der Erfindung zu erhöhen, schrumpfen schnell unter der Drohung von Gebühren, Firmen zahlen doppelt so viel wie der „kleine Mann". So wird nicht nur ab Nummer 21 jeder Anspruch sondern grundsätzlich auch jeder Unteranspruch mit einem Vielfach-Rückbezug entsprechend vielfach berechnet(18). Der amerikanische Prüfer ist übrigens auch bei weitem nicht so großzügig verschiedenen Kategorien gegenüber wie sein deutscher Kollege. Ausdrücke wie „und/oder" im Anspruch 1 läßt er ebenfalls nicht zu. Bei uns ist die zweimalige Verwendung des gen. Ausdrucks schon im Anspruch 1 keine Seltenheit. Sie beschert dem deutschen Anmelder neun nebengeordnete Ansprüche in einem Anspruch und damit eine neunfache Zahl der mit den Rückbezügen der Unteransprüche bildbaren Kombinationen(19). Der Anmelder in den USA muß sich deshalb zwangsläufig für einige wenige Ausgestaltungen seiner Erfindung entscheiden. In der Regel reduziert der amerikanische Anwalt rigoros die Zahl der Rückbezugs-Alternativen in den deutschen Unterlagen, bevor er sie einreicht. Damit hängt es weitgehend von ihm ab, welche der vielen deutschen Weiterbildungen in den USA beansprucht werden. Demgegenüber genießen die Anmelder beim DPA paradiesische Zustände.

V. Europa

Das Europäische Patentamt appeliert an die Einsicht des Anmelders und fordert ihn auf, „die Anzahl der Patentansprüche ... in vertretbaren Grenzen zu halten" und „alle abhängigen Ansprüche ... soweit wie möglich und auf die zweckmäßigste Weise zusammenzufassen“(20). Der folgsame Anmelder spart Geld, denn im EPA wird schon der elfte Anspruch berechnet, und zwar mit 65. - DM. Die Zahl der Weiterbildungen ist also lediglich eine Frage der Kosten, der Streit um „Vertretbares" und „Zweckmäßiges" ist unberechenbar.

VII. Der Pauschal-Rückbezug

Es soll nicht erneut auf die vielen Variationen eingegangen werden, mit denen der deutsche Rückbezug (ähnlich dem britischen) das Wortgefüge der Unteransprüche bereichert. Wichtig für die nachfolgenden Überlegungen sind nur die zwei Gruppen, in die alle Rückbezüge eingeordnet werden können:

Der Pauschal-Rückbezug, der alle vorangehenden Ansprüche enthält und

der gezielte Rückbezug, der nur bestimmte der vorangehenden Ansprüche enthält.

Mit dem Pauschal-Rückbezug(21) spart der Anmelder Überlegungszeit und geht kein Risiko ein. Ob mit oder ohne Anspruchs-Nummer, alle Anspruchs-Kombinationen sind beansprucht, es sei denn, der aufmerksame Prüfer weist darauf hin, daß bestimmte Kombinationen nicht möglich oder unsinnig sind. Beanstandungen des Rückbezugs stehen in der Regel nicht im Vordergrund des Prüfungsverfahrens und führen auch selten zu einer Zurückweisung der Anmeldung. Der gewissenhafte Prüfer kann falsche oder unzulässige Rückbezüge nicht unbeanstandet lassen. Die Rechtsprechung zeigt, daß sein pflichtbewußter Einsatz überflüssig ist. Mit der einmaligen Feststellung, daß alle (sinnvollen) Kombinationen zwischen dem Anspruch 1 und den übrigen Ansprüchen beansprucht werden, und der amtlichen Duldung dieser Aussage gäbe es keine Formulierungs-Probleme und Meinungsverschiedenheiten mehr(22).

VII. Der gezielte Rückbezug

Im Gegensatz zum Pauschal-Rückbezug enthält der gezielte Rückbezug mit der Angabe bestimmter Anspruchsnummern nicht nur die Anweisung der Textwiederholung, sondern wählt aus. Hätte der Verordnungsgeber bei der diesbezüglichen Anordnung nur die Absicht verfolgt, den Oberbegriff der Unteransprüche zu kürzen, dann ließe sich dies auch auf einfachere Weise ausdrücken, bspw. mit „wie vorher", wie es in der weiter unten angegebenen Version 2 gezeigt ist. Es muß daher angenommen werden, daß er auch und vor allem - nicht die Möglichkeit schaffen - sondern die Notwendigkeit ausdrücken wollte anzugeben, welcher aus einer Reihe von Ansprüchen den Oberbegriff des betreffenden Unteranspruchs bilden soll. Dies führt zu dem Schluß, daß nur der gezielte Rückbezug die in der PatAnmVO aufgenommene Forderung nach einem Rückbezug erfüllt und daß der Pauschal-Rückbezug unzulässig ist, insb. dann, wenn mit ihm die Zahl der Kombinationen unbegrenzt ansteigt. Die Grenze zwischen den beiden Gruppen ist allerdings fließend und fehlt, wenn Pauschal-Rückbezug und gezielter Rückbezug identisch sind, also bereits im Anspruch 2. Mit Sicherheit hat aber der Verordnungsgeber nicht an Tausende, Millionen oder gar Milliarden und noch mehr Ausgestaltungen der Erfindung gedacht.

VIII. Die Selbst-Beschränkung des Anmelders

Anmelder, die beim Abfassen des Patentbegehrens schon alle die Anspruchs-Kombinationen im Rückbezug ausklammern, die technisch nicht sinnvoll sind (soweit sie ihnen überhaupt bewußt werden), indem sie statt des (nummerlosen) Pauschal-Rückbezugs nur die den beanspruchten (sinnvollen) Kombinationen entsprechenden Anspruchsnummern im Rückbezug angeben, erleichtern zwar das Prüfen im DPA, benachteiligen sich aber selbst. Denn sie schließen damit ersichtlich die Kombinationen vom Schutz aus, die erst nach Patenterteilung bedeutsam werden und die im Pauschal-Rückbezug automatisch eingeschlossen gewesen wären. Ob alle Kombinationen auch offenbart sind, ist vom Gericht festzustellen. Die Selbstbeschränkung des Anmelders ist allerdings solange bedeutungslos, wie der BGH seine großzügige Rechtsprechung beibehält. Sie liegt aber mit einem Langzeitzünder unbekannter Einstellung im Aktenschrank der Ungewißheit, ob und wann der BGH seine Auffassung dem Rückbezug gegenüber ändert.

IX Merkmalsgruppen

Enthalten Unteransprüche im kennzeichnenden Teil mehr als ein Merkmal, so kann man von Merkmals-Gruppen sprechen. Die Zusammenfassung mehrerer Merkmale in einem Unteranspruch weist auf die Absicht des Anmelders hin, Gruppen zu bilden: meistens ist bereits aus dem Wortlaut ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Merkmalen erkennbar, der das Zusammenfassen der Merkmale verständlich macht. Diese Absicht wird in der Beschreibungseinleitung bestätigt, wenn die „Weiterbildungen" im Rahmen der Vorteilsangabe erörtert werden. Daß dabei grundsätzlich der Oberbegriff des jeweils angesprochenen Unteranspruchs so betrachtet wird, als definiere er nur einen einzigen Gegenstand, bleibt weitgehend unbeachtet. Auch der Prüfer geht bei der Prüfung davon aus, daß die weiterbildenden (kennzeichnenden) Merkmale bei allen Gegenständen des jeweils betrachteten Unteranspruchs (beim 6. Anspruch sind es 31, beim 10. Anspruch 1023) gleich wirksam sind. Das mag die Regel, muß aber nicht der Fall sein. Wo liegt eigentlich die Grenze, bei 10, 50, 100 oder 1000, ab der die Vielfalt der Gegenstände, die alle wahlweise den Oberbegriff eines Unteranspruchs bilden sollen, für Prüfer und Leser unüberschaubar werden? Ab welcher Zahl von Kombinationen tendiert die eigentlich ohne Einschränkung erwartete Prüfungsbereitschaft im DPA stillschweigend gegen Null? Ab 100, 1000, 1 Million?

Der Rückbezug verliert daher auch dann seine vom Verordnungsgeber ihm zugewiesene Bedeutung, wenn der Patentinhaber im Verfahren nach der Patenterteilung nicht mehr an seine Gruppenbildung gebunden ist und bspw. schon im Einspruchsverfahren Merkmals-Kombinationen (Unterkombinationen) zugelassen werden, indem der Hauptanspruch mit Merkmalen ergänzt wird, die aus der Merkmals-Gruppe eines Unteranspruchs stammen. Eine derartige Spaltung der bereits bestehenden Merkmalsgruppen, wie sie die Unteransprüche darstellen, und das Bilden neuer Gruppen, selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß es sich um eine Beschränkung (oder Verdeutlichung) handelt, berührt noch mehr als das Bilden von Anspruchs-Kombinationen die Frage der Offenbarung.

Es wird dem Anmelder überlassen, mit welchen Merkmalen er Gruppen bildet, ohne daß er die Gruppenbildung begründen muß, d.h. welche Merkmale er in Unteransprüchen zusammenfaßt. Der Anmelder kann die einzelnen Weiterbildungen bspw. im Zusammenhang mit der Angabe von Vorteilen ansprechen, er muß es nicht(23). Erst die Auslegung des Patents entscheidet über die Zulassung von Schutzverschiebungen, wie sie beim Bilden von neuen Merkmalsgruppen (Unterkombinationen) entstehen. Will der Anmelder diesbezügliche Beanstandungen vermeiden, dann sollte er nur jeweils ein Merkmal in einen Unteranspruch schreiben, was gleichzeitig eine deutliche Vermehrung der Zahl der Anspruchskombinationen einbringt; jeder weitere Anspruch verdoppelt die Zahl.

X. Was gilt das deutsche Patent?

Die rigorose amerikanische Methode zum Reduzieren der Zahl der Ansprüche durch Beschränkung der Verknüpfungen zwischen den Ansprüchen in Verbindung mit Gebühren dürfte wohl die wirksamste Methode sein, ein übersehbares und alternativenarmes Patentbegehren zu erhalten, allerdings zum Nachteil des Patentinhabers. Die deutsche Freiheit bei der Wahl des Rückbezugs halte ich jedoch auch im Hinblick auf die internationalen Regelungen für bedenklich. Mit unserem Rückbezugssystem kann der Anmelder einen über den Inhalt der Offenbarung hinaus gehenden Schutz erhalten, und er kann sich leicht den Regeln des im DPA geschätzten gewissenhaften Erteilungsverfahrens entziehen, wenn das legale Ausschöpfen der gesetzlichen Vorschriften zur Kombinations-Inflation führt, trotz klarer Unterlagen. Solange der - vom BGH nicht strikt beachtete - Rückbezug in Fassungen gebräuchlich und zulässig ist, die, abgesehen von formal-strittigen Unterschieden, mit steigender Anspruchszahl zwangsläufig zu astronomischen Zahlen von Alternativen führen, dann liegt der Schutzbereich des Patents mehr oder weniger stark im Nebel. Das Vertrauen der Öffentlichkeit darauf, es seien alle Gegenstände, die durch den Rückbezug gebildet werden können, sachlich offenbart und geprüft, möge das auch in vielen Fällen bei kleiner Zahl von Ansprüchen zutreffen, wird mißbraucht, jedenfalls solange, wie dieser Eindruck offiziell erweckt wird(24).

Auch der Anmelder kann kein Interesse daran haben, den Schutzumfang auf Kosten unklarer Rechtsverhältnisse auszuweiten, weil ihm diese Methode als Patentinhaber möglicherweise Vorteile, von anderen angewendet ihm als Erfinder oder Verletzter jedoch Nachteile bringt. Zwischen der Patenterteilung und einem Verletzungsstreit oder dem Erlöschen des Patents liegt eine lange Zeit, in der die Öffentlichkeit selbst prüfen muß, welche Gegenstände nun vom Patentschutz erfaßt sind und welche nicht. Wird ihr nicht zu viel zugemutet in der Erwartung, sie werde schon feststellen, welche (der bei 20 Ansprüchen möglichen 1 048 575) Kombinationen technisch sinnvoll sind und welche nicht, eine Tätigkeit, die Johannesson höflich als „unerfreuliche Aufgabe" bezeichnet hat(25). Analoge Ermittlungen muß sie bezüglich der Offenbarung anstellen.

Wird dem Patentinhaber weiterhin eingeräumt, alle möglichen und vielleicht gerade noch sinnvoll erscheinenden und ab einer bestimmten Anzahl nur noch registrierbaren Anspruchs- und Merkmalskombinationen zu beanspruchen und erst im späteren Rechtsstreit nachzuweisen, daß ein bestimmter Gegenstand (vielleicht aus einer Menge von 100.000) zum Gegenstand des Patents gehört, dann stehen Schutz- und Rechtssicherheit des deutschen Patents auf schwankendem Boden. Es ist unmöglich, dem einen Patentinhaber für dessen Erfindung mit (im Prüfungsverfahren noch überschaubaren) 12 Weiterbildungen den gleichstarken Schutz (an)zubieten wie einem anderen Patentinhaber für dessen Erfindung mit Tausenden von (nicht überschaubaren) Weiterbildungen.

Eine klare Entscheidung des Gesetzgebers ist gefragt. Entweder er sichert zu, daß alle definierten Weiterbildungen der Erfindung im erteilten Patent geprüft und geschützt sind, und schafft für das Prüfungsverfahren im Deutschen Patentamt die entsprechenden Voraussetzungen dafür, oder er räumt den Patentschutz nur im Umfang des Hauptanspruchs ein und überläßt das weitere Schutzbegehren wie bisher der Unbeachtung, dem Rätselraten, dem Vermuten oder der Auslegung(26). Und wenn ferner das Aufstellen von Unteransprüchen praktisch nur dem Zweck dient, eine lose Anbindung von Merkmalen oder Merkmalsgruppen an den Anspruch 1 zu ermöglichen, dann kann der Rückbezug ohne Folgen für die Auslegung, des Patents durch eine klare und kurze Einheitsfassung ersetzt werden, oder man verzichtet ganz auf ihn.

XI. Bis auf weiteres ...

Der Anmelder kann die gegenwärtige labile Rechtssituation zu seinem Vorteil und die Rückbezugs-Formulierung wählen, die alle theoretisch möglichen Kombinationen einschließt. Um zu vermeiden, daß er eventuell an die Merkmals-Gruppen in den Unteransprüchen gebunden ist, sollte er jedes Einzelmerkmal als weiterbildendes Merkmal deklarieren. Der Prüfer im Deutschen Patentamt erfüllt seinen Auftrag, wenn er die kennzeichnenden Teile der Unteransprüche im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle liest und gegebenenfalls auf ihre Verständlichkeit hinwirkt(27). Zu prüfen, ob die angegebenen Rückbezüge auch zutreffen, wie es die Prüfungsrichtlinien von ihm weiter verlangen(28), kann er nur in relativ bescheidenem Rahmen. Die Wirkung seiner Tätigkeit ist im erteilten Patent für ihn außer Sicht und, wie dargelegt, sehr zweifelhaft.

Es werden nachfolgend zwei Versionen für die Fassung des Patentbegehrens vorgeschlagen, die seinen Wortlaut verkürzen und dessen Übersichtlichkeit erhöhen. Als Beispiel und Vergleichstext wurden die Ansprüche aus einer Patentschrift(29) mit sehr einfachem Wortlaut gewählt, die jeweils in der linken Spalte aufgeführt sind.

Verzeichnis der Fußnoten

 

Version 1

In Version 1 wird nur noch zwischen dem Hauptanspruch, entsprechend dem bisherigen Anspruch 1, und dem Unteranspruch, entsprechend den bisherigen Unteransprüchen unterschieden. Die einzelnen Merkmale der Unteransprüche sind aufgelistet. Sie lassen sich in Gruppen zusammenfassen. Die Nummernfolge kann sich an die des Hauptanspruchs anschließen. Die Übersichtlichkeit wird in dem Maße verbessert, wie die Zahl der Unteransprüche und die Komplexität ihres Textes zunimmt. Nebengeordnete Ansprüche sind ebenfalls Hauptansprüche, die alle fortlaufend numeriert werden. Sogar für den Laien kommt verständlich zum Ausdruck, daß - im Einklang mit Gesetz und Rechtsprechung - alle Kombinationen zwischen allen in den Patentansprüchen angegebenen Merkmalen formal vom Schutz erfaßt sind.

 

Bezugstext (12 Anspruchs-Kombinationen)

Patentansprüche

1. Endoskop, gek. durch einen Generator zum Anregen des Endoskops zu mechanischen Schwingungen.

2. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß der Generator zum Anregen des Endoskops zu Schwingungen mit einer seiner Eigenfrequenzen ausgebildet ist.

3. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß der Generator ein elektromechanischer Schwingmotor ist.

4. Endoskop nach Anspruch 3, dad. gek., daß der Generator mit Netzspannung betrieben wird.

5. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß der Generator ein Unwuchterreger ist.

6. Endoskop nach Anspruch 5, dad. gek., daß der Generator elektromotorisch angetrieben ist.

7. Endoskop nach Anspruch 1 oder 2, dad. gek., daß der Generator einen Schwingquarz umfaßt.

8. Endoskop nach Anspruch 7 oder 2 und 3, dad. gek., daß der Generator eine Rückkopplungsschwingschaltung umfaßt.

9. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß es auf mindestens einem Teil seines Mantels volumenvariable Ansätze aufweist und daß der Generator eine Pumpe zum Anspeisen der Ansätze mit einem pulsierenden Fluidstrom umfaßt.

10. Endoskop nach Anspruch 9, dad. gek., daß die Ansätze in Längsrichtung des Endoskopmantels erstreckende im Querschnitt halbzylindrische Schläuche sind.

 

Version 1 (1 023 Merkmals-Kombinationen)

Hauptanspruch

Endoskop, gek. durch einen Generator zum Anregen des Endoskops zu mechanischen Schwingungen.

Unteranspruch

Endoskop nach Hauptanspruch, wahlweise kombiniert mit einem oder mehreren der folgenden Merkmale:

1. der Generator zum Anregen des Endoskops ist zu Schwingungen mit einer seiner Eigenfrequenzen ausgebildet;

2. der Generator ist ein elektromechanischer Schwingmotor;

3. der Generator wird mit Netzspannung betrieben; 

4. der Generator ist ein Unwuchterreger;

5. der Generator ist elektromotorisch angetrieben;

6. der Generator umfaßt einen Schwingquarz;

7. der Generator umfaßt eine Rückkopplungsschwingschaltung;

8. das Endoskop weist auf mindestens einem Teil seines Mantels volumenvariable Ansätze auf;

9. der Generator umfaßt eine Pumpe zum Anspeisen der Ansätze mit einem pulsierenden Fluidstrom;

10. die Ansätze sind in Längsrichtung des Endoskopmantels erstreckende im Querschnitt halbzylindrische Schläuche.

Version 2

Version 2 enthält bei unveränderter Merkmalsangabe und unveränderter Zahl der Unteransprüche den verkürzten Rückbezug, mit dem alle theoretisch möglichen Anspruchs-Kombinationen erfaßt sind. Sie könnte während eines Übergangszeitraumes eventuelle Umstellungsschwierigkeiten verringern, die die radikale Fassung der Version 1 bei manchem Patentexperten auslösen dürften.

 

Bezugstext (12 Anspruchs-Kombinationen)

Patentansprüche

1. Endoskop, gek. durch einen Generator zum Anregen des Endoskops zu mechanischen Schwingungen.

2. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß der Generator zum Anregen des Endoskops zu Schwingungen mit einer seiner Eigenfrequenzen ausgebildet ist.

3. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß der Generator ein elektromechanischer Schwingmotor ist.

4. Endoskop nach Anspruch 3, dad. gek., daß der Generator mit Netzspannung betrieben wird.

5. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß der Generator ein Unwuchterreger ist.

6. Endoskop nach Anspruch 5, dad. gek., daß der Generator elektromotorisch angetrieben ist.

7. Endoskop nach Anspruch 1 oder 2, dad. gek., daß der Generator einen Schwingquarz umfaßt.

8. Endoskop nach Anspruch 7 oder 2 und 3, dad. gek., daß der Generator eine Rückkopplungsschwingschaltung umfaßt.

9. Endoskop nach Anspruch 1, dad. gek., daß es auf mindestens einem Teil seines Mantels volumenvariable Ansätze aufweist und daß der Generator eine Pumpe zum Anspeisen der Ansätze mit einem pulsierenden Fluidstrom umfaßt.

10. Endoskop nach Anspruch 9, dad. gek., daß die Ansätze in Längsrichtung des Endoskopmantels erstreckende im Querschnitt halbzylindrische Schläuche sind.

Version 2 (511 Anspruchs-Kombinationen)

Patentansprüche


1. Endoskop, gek. durch einen Generator zum Anregen des Endoskops zu mechanischen Schwingungen.

2. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß der Generator zum Anregen des Endoskops zu Schwingungen mit einer seiner Eigenfrequenzen ausgebildet ist.

3. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß der Generator ein elektromechanischer Schwingmotor ist.

4. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß der Generator mit Netzspannung betrieben wird.

5. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß der Generator ein Unwuchterreger ist.

6. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß der Generator elektromotorisch angetrieben ist.

7. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß der Generator einen Schwingquarz umfaßt.

8. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß der Generator eine Rückkopplungsschwingschaltung umfaßt.

9. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß es auf mindestens einem Teil seines Mantels volumenvariable Ansätze aufweist und daß der Generator eine Pumpe zum Anspeisen der Ansätze mit einem pulsierenden Fluidstrom umfaßt.

10. Endoskop wie vorher, dad. gek., daß die Ansätze in Längsrichtung des Endoskopmantels erstreckende im Querschnitt halbzylindrische Schläuche sind.


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