Am 1. Juli 1996 unterzeichnen in Wien die politischen Vertreter der deutschsprachigen Staaten und weiterer Länder, in denen Deutsch von einer Minderheit gesprochen wird, nach mehr als zwanzig Jahren wissenschaftlicher Vorarbeiten und umfangreichen fachinternen und öffentlichen Diskussionen eine Gemeinsame Erklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Sie soll am 1. August 1998 wirksam werden. Für ihre Umsetzung ist eine Übergangszeit bis zum 31. Juli 2005 vorgesehen. Bis dahin gilt die alte Schreibung zwar als überholt, jedoch nicht als falsch.
Bereits im Schuljahr 1996/97 wird im Vorgriff auf die neue Regelung in der Mehrzahl der Schulen Deutschlands, der Schweiz und Österreichs begonnen, nach den neuen Regeln zu unterrichten.
Gegner der neuen Rechtschreibung unterzeichnen auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 1996 eine Erklärung, um die Neuregelung zu stoppen, und streben Volksbegehren in mehreren deutschen Bundesländern an.
Wie in der Wiener Erklärung vorgesehen, konstituiert sich im März 1997 am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Einführung der Neuregelung beratend zu begleiten und Zweifelsfälle zu klären. Die Arbeit der Kommission wird somit zur Richtschnur für alle Wörterbuchverlage.
Gegner der Neuregelung beschäftigen die deutschen Gerichte mit Klagen gegen die "Reform". Bis zum März 1998 liegen 30, sich größtenteils widersprechende Gerichtsentscheidungen vor. Niedersachsen stoppt vorläufig die vorgezogene Einführung der neuen Regeln. Eine Initiative im Bundestag führt dazu, daß die Bundesbehörden die neue Schreibung vorerst noch nicht einführen.
Nach öffentlicher Anhörung im Mai 1998 verkündet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 14. Juli 1998 sein einstimmig gefälltes Urteil. Es stellt fest, dass es Sache der Länder ist, Regelungen über die richtige Schreibung für den Unterricht in den Schulen zu treffen und daß durch die Neuregelung Grundrechte von Eltern und Schülern nicht verletzt werden. Damit ist Rechtssicherheit für Schulen und Behörden geschaffen.
Am 1. August 1998 tritt die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in Kraft. An allen Schulen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins wird nun nach den neuen Regeln unterrichtet. In der Schweiz, in Österreich und in zunächst 10 deutschen Bundesländern (Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) gelten die neuen Regeln auch für die Behörden.
Als Folge des Volksentscheids am 27. September 1998 wird an den Schulen Schleswig-Holsteins bis auf weiteres wieder die alte Rechtschreibung gelehrt. Die neue Schreibung wird toleriert.
Ab 1. Januar 1999 gilt die neue Schreibung auch für die Behörden in Baden-Württemberg, Bayern und Berlin.
Am 1. August 1999 stellen die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen auf die neue Schreibung um.
Auf Antrag der CDU-Fraktion beschloß der Landtag von Schleswig-Holstein am 17. September 1999 die Korrektur der durch den Volksentscheid herbeigeführten Schulgesetzgebung. Der Absatz, der die Schulen verpflichtet, die alte Rechtschreibung zu lehren, ist gestrichen worden.
Am 1. August 2000: Die FAZ kehrt zur alten Schreibung zurück. Vorausgegangen war eine Vorab-Rezension der für August angekündigten 22. Auflage des Rechtschreibduden von Theodor Ickler in der "Welt" mit der Falschmeldung, der neue Duden würde wesentliche Teile der Neuregelung zurücknehmen. In der Folgezeit findet die FAZ keine Nachahmer.
Am 1. August 2000: Die Behörden der Europäischen Union (EU) stellen auf die neue Schreibung um
Am 5. Februar 2004: Sitzung der Amtschefskommission „Rechtschreibung" in Sachen Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Beabsichtigt: Beschlussfassung zum 4. Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung und zum weiteren Verfahren.
Am 31. Juli 2005 endet die Übergangszeit für die Schulen. Auch in den Behörden sollen ab 1. August nur noch die neuen Rechtschreibregeln gelten.
Hinweis: Die von den Kultusministern wahrheitswidrig verbreitete und von Nachrichtenagenturen fahrlässig übernommene Information, es bestände für die strittige und von der Mehrzahl der Deutschsprechenden abgelehnten Neuschreibung eine Rechtsgrundlage, ist falsch. Erlasse von Kultusministern sind keine gesetzlichen Regelungen.
Auch der im Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung verwendete Begriff „Abschlußerklärung suggeriert einen nicht vorhandenen Vertragsabschuß; er stellt lediglich eine unverbindliche Absichtserklärung dar.
Siehe Leserbrief von Manfred Riebe, Pressesprecher des VRS und
Hinweis am Ende der Vorlage für die Sitzung der Amtschefskommission"Rechtschreibung am 05.02.2004
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