Akademische Grade sind kein Bestandteil des Namens
Laut Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1962 (BGH Bd. 38, S. 380 bis 385) sind in Übereinstimmung mit der (damals schon geltenden) Rechtssprechung akademische Grade, im Streitfall handelte es sich um den Grad eines „Dr.-med., kein Bestandteil des Namens, auch keine Berufsbezeichnung, siehe auch BVerwGE, Bd. 5, 1957/58, S. 291 293.
Im Widerspruch zu diesem mehr als 40 Jahre bekannten Urteil des höchsten deutschen Gerichts wird das menschlich verständliche Festhalten an der akademischen Verzierung von Namen und Person durch Verwaltungsvorschriften von Bund und Ländern unterstützt und damit der Anschein erweckt, der akademische Grad sei Bestandteil des Namens.
Die Bundesregierung ignoriert die Rechtsprechung
Die ohne sachlichen Grund durch die damals amtierende Bundesregierung ausgelöste und in den einzelnen Bundesländern die im Jahre 1961 erlassene Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über das Paßwesen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9) betreffend den Dr.-Grad, Neufassung vom 3.7.2000 (§ 6 Abs. 2 Nr. 2.3) durch den Bund, erlaubt es, den Dr.-Grad, und zwar eigenartigerweise sogar in abgekürzter, d. h. verstümmelter und damit wenig aussagekräftigen Form (Dr.) in Personalausweis und Paß einzutragen. Der entsprechende Passus der gen. Verwaltungsvorschrift lautet:
"Andere akademische Grade und Titel als der Doktorgrad dürfen nicht eingetragen werden. Der Doktorgrad muss nachgewiesen werden (z. B. durch eine Verleihungsurkunde oder ein Besitzzeugnis), sofern er sich nicht schon aus dem Personalausweis, einem früheren Pass oder dem Melderegister ergibt. Er wird ohne Zusatz in abgekürzter Form ohne Punkt eingetragen (z. B. „DR, „D, „DR hc, „DReh, „DR Eh)."
also ohne Angabe der Fachrichtung. Andere akademische Grade (Dipl.-Grad) und akademische Titel (Professor) dürfen dagegen nicht eingetragen werden (Abs. 5.6.1). Eine Begründung für diese Vorschrift ist nie gegeben worden.
Der Gleichheitsgrundsatz wird mißachtet
Die über Jahrzehnte geltenden Verwaltungsvorschriften ignorieren den Gleichheitsgrundsatz (GG Art.3 Abs. 1) und dienen weder der Sicherheit der Bürger noch erleichtern sie Strafverfolgungen.
Die Bunderegierung ignoriert die Konferenz der Kultusminister der Länder
Die unvollständige Angabe des akademischen Grades durch Beschränkung auf das Kürzel „Dr. widerspricht ferner der Regelung der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK). Nach den aktuellen Angaben des Sekretariats der KMK wird der Doktorgrad von deutschen Universitäten und gleichgestellten Hochschulen verliehen. Er setzt sich regelmäßig aus dem deutschen oder lateinischen Wort "Doktor" bzw. "Doctor" und dem fachlichen Zusatz der jeweiligen Fachwissenschaft zusammen, z.B. "Doktor der Rechtswissenschaften". Die Abkürzung lautet in aller Regel "Dr. ...", , und enthält eine Abkürzung der Fachwissenschaft nach den üblichen Gepflogenheiten der Universitäten, im genannten Beispiel also „Dr. jur.; weitere Beispiele "Dr. med.", "Dr. rer. nat.", " Dr. phil.". Der ingenieurwissenschaftliche Doktorgrad lautet in der abgekürzten Form "Dr.-Ing.".
Aus den Angaben des gen. Sekretariats ergibt sich zweifelsfrei, daß die Abkürzung „Dr. keine vollständige Bezeichnung des akademischen Doktorgrades ist. Sie steht nur für die Information, der Gradträger habe ein Hochschulstudium in einer (nicht genannten) Fachrichtung mit einer Promotion abgeschlossen.
Inkonseqente Gestaltung des Ausweises
In maschinenlesbaren Ausweisen ist das „Dr-Kürzel wegen der Fehler in der Namensermittlung sogar jetzt schon in der vorletzten Zeile weggelassen. Sie lautet im
Personalausweis: IDD<<Nachname<<Vorname<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< und im Paß: P<D<<Nachname<<Vorname<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<.
Ein Doktorgrad, der im oberen Namensfeld eingetragen ist, wird somit im unteren Bereich weggelassen. Die jetzige Regelung, den Doktorgrad in der Namenszeile zu nennen, ist keinesfalls für die Identifizierung einer Person erforderlich. Sie bewirkt indirekt eine Diskriminierung aller Akademiker ohne Promotionsabschluß und aller Leistungsträger, die kein Hochschulstudium absolviert haben.
Die Unterschrift nach Belieben
Eigenartigerweise haben Passbewerber alle Freiheiten beim unterschreiben des Dokumentes (§ 6 Abs. 2 Nr. 2.4):
"Die Unterschrift des Passbewerbers gemäß Nummer 6.1.1 erfüllt die Funktion eines Identitätsmerkmals. Sie soll so geleistet werden, wie der Passbewerber dies im täglichen Leben zu tun pflegt. Passbewerber, die gewöhnlich mit Vornamen und Familienname unterschreiben, können die Vornamen abkürzen oder entfallen lassen, wenn der Raum für die übliche Unterschrift nicht ausreicht. Vor dem Namen können der Doktorgrad in abgekürzter Form mit weiteren Zusätzen (z. B. Dr. med., Prof. Dr.) oder andere akademische Grade (z. B. Dipl.-Ing.) mit geschrieben werden."
Plötzlich dürfen akademische Grade aller Art in der Unterschrift als Identifikationsmerkmal angegeben werden. Es ist auffällig, dass im Innenministerium der Bunderegierung niemand weis, was unter einer Identität zu verstehen ist. Der Doktorgrad soll, obwohl nach einhelliger Meinung von Gerichten, Sachverständigen und Juristen kein Bestandteil des Namens und auch kein Identifizierungsmerkmal, in der Namenszeilke des Passes eingetragen werden, der akademische Diplomgrad jedoch nicht. Andererseits darf der Passbewerber den Diplomgrad in der Unterschrift als Identifikationsmerkmal mitschreiben. Es ist ein Skandal, wie in der Bundesrepublik mit einem Hochsicherheitsdokument umgegangen wird. Wenn es um Eitelkeit und Erhöhen des Ansehens geht, werden sachliche Erwägungen unterdrückt.
Der akademische Grad ist hinter dem Namen anzugeben
Unabhängig von der Frage, an welcher Stelle der akademische Grad stehen soll, also vor dem Nachnamen, vor dem Vornamen oder jeweils dahinter ist das Verschweigen der Fakultät aus einem anderen Grund bedenklich. Die ständig wachsende Zahl der an Universitäten angebotenen speziellen Fachgebiete mit für sie eingerichteten Fakultäten hat auch die Zahl fachlich und sachlich unterschiedlich gestaltetet Dissertationen mit entsprechenden Doktorgraden erhöht. Die Angabe der Fakultät ist daher zunehmend wichtiger, um beurteilen zu können, ob der Doktorgrad wenigstens einen Anhalt dafür gibt, ob oder daß der Promovierte eine besondere Qualifikation für seine aktuelle Tätigkeit aufweist.
Die Überbewertung des Doktorgrades
Auch wegen des ständig zunehmenden zeitlichen Abstandes von der ehemals erbrachten, meistens unbekannten und nicht selten fragwürdigen Leistung (siehe Titelkauf und Doktorfabrik „Bossle in Würzburg), die mit der Promotion belohnt wurde, wandelt sich der informationsarme Zusatz „Dr. vor dem Namen immer mehr in eine Verzierung des Namens mit der wenig vorteilhaften Nebenwirkung, Vorurteile zu festigen, Eitelkeiten zu befriedigen und die gegenwartsbezogene Beurteilung der Person zu erschweren, und zwar hinsichtlich Fachwissen, Kompetenzen, Leistung und Leistungsfähigkeit, falls überhaupt noch ein Bezug zwischen Promotion und Gegenwart vorhanden ist.
Brief an BM Schily und die Abgeordneten des deutschen Bundestages.
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