An Herrn Otto Schily Bundesminister des Innern Berlin
Eintragung akademischer Grade im Personalausweis und im Reisepaß Persönliche Daten der Abgeordneten im Internet
Sehr geehrter Herr Minister Schily,
die gängige Praxis der örtlichen Paßbehörden, den Doktorgrad in den Ausweispapieren einzutragen, ist eine auffällige
Mißachtung der Rechtsprechung des BGHs.
Als Folge davon werden
der Gleichheitsgrundsatz (GG Art. 3 Abs. 1) mißachtet und akademische Grade ungleich behandelt.
Der Eintrag im Ausweis dient auch nicht zur Identifikation einer Person (Info 1).
Ich bitte Sie daher höflich, sehr geehrter Herr Minister, Gesetz und Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über das Paßwesen so zu ändern, daß die Rechtsprechung des BGHs in den Ausweispapieren beachtet wird. Es dient nicht der Rechtssicherheit, besonders in namensrechtlichen Fragen, wenn sogar die Organe des Staates (Bundestag, Ministerien und Behörden) die Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts ignorieren. Die dargelegten negativen Folgen für die Gesellschaft ließen sich ebenfalls vermeiden. Wegen der in der EU angestrebten einheitlichen Gestaltung von maschinenlesbaren Ausweisen ist die Gesetzesänderung dringend geboten.
Auch die persönlichen Angaben der Abgeordneten im Internet betreffend den Namen und die Berufsbezeichnung widersprechen den eindeutigen Aussagen des BGHs.
Bitte teilen Sie mir mit, wann ich als Bürger, der sich stets bemüht, Rechtsprechung und amtliche Vorschriften zu beachten, mit den m. E. dringlichen Maßnahmen zum Ändern der Paßvorschriften und der Angaben auf den Internetseiten der Abgeordneten rechnen kann.
Erläuterungen:
1) Das BGH-Urteil 2) Paßvorschriften 3) Der unvollständige Doktorgrad 4) Der BGH: ein Debattierclub? 5) Die Persönliche Daten der Abgeordneten im Internet 6) Vom Markenzeichen zum Titelwesen 7) Weitere Informationen zum Thema:
1) Das BGH-Urteil
Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 1962 die (damals schon geltende) Rechtssprechung bestätigt und eindeutig festgestellt, im Streitfall handelte es sich um den akademischen Grad eines „Dr. med., daß
akademische Grade kein Bestandteil des Namens und keine Berufsbezeichnung sind
(2), siehe auch BVerwGE, Bd. 5, 1957/58, S. 291 bis 293.
2) Paßvorschriften
Wie viele Jahrzehnte benötigen Regierungen und Verwaltungen, um den Feststellungen des BGHs gemäß zu handeln? So gilt weiterhin, ausgelöst durch die damals amtierende (CDU/CSU/FDP-) Regierung, in den einzelnen Bundesländern die im Jahre 1961 erlassene Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über das Paßwesen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9) betreffend den Dr.-Grad, Neufassung vom 03.07.2000 (§ 6 Abs. 2 Nr. 2.3) durch den Bund, wonach der Dr.-Grad, und zwar eigenartigerweise sogar in abgekürzter, d. h. verstümmelter und damit wenig aussagekräftiger Form „Dr. im Personalausweis und im Reisepaß eintragbar ist. Gemäß der genannten Verwaltungsvorschrift ist
„bei Paßbewerbern, die den akademischen Grad des Doktors führen, der Doktortitel (gemeint ist Doktorgrad) vor dem Namen in der Abkürzung „Dr. ohne weiteren Zusatz einzutragen,
also ohne Angabe der Fachrichtung oder der verleihenden Hochschule. Andere akademische Grade (Dipl.-Grad) und akademische Titel (Professor) dürfen dagegen nicht eingetragen werden (Abs. 5.6.1) (3)
3) Der unvollständige Doktorgrad
Wurde früher das Dr.-Kürzel mit der Berufsbezeichnung „Arzt gleichgesetzt (Onkel Doktor), so steht es heute nur noch für die wenig aussagekräftige Information, der Gradträger habe promoviert. Besonders die ständig wachsenden Zahl unterschiedlicher Fachausbildungen mit entsprechenden Doktorabschlußgraden erfordert die Angabe Fakultät, um beurteilen zu können, ob der Doktorgrad einen Anhalt dafür gibt, ob oder daß der Promovierte eine besondere Qualifikation für die aktuelle Tätigkeit aufweist. Diesem Bedürfnis trug die ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland Rechnung. Nach den aktuellen Angaben seines Sekretariats setzt sich der Doktorgrad regelmäßig aus dem deutschen oder lateinischen Wort "Doktor" bzw. "Doctor" und einem fachlichen Zusatz der jeweiligen Fachwissenschaft zusammen, z.B. "Doktor der Rechtswissenschaften". Die Abkürzung lautet "Dr. ..." und enthält ebenfalls eine Abkürzung der Fachwissenschaft nach den üblichen Gepflogenheiten der Universitäten, z. B. "Dr. jur.", "Dr. med.", "Dr. rer. nat.", " Dr. phil.". Der ingenieurwissenschaftliche Doktorgrad lautet in der abgekürzten Form "Dr.-Ing.".
Daraus ergibt sich zweifelsfrei, daß die Abkürzung „Dr. keine vollständige Bezeichnung des akademischen Doktorgrades ist. Als pauschale Promotionsangabe ist der Zusatz „Dr. vor dem Namen lediglich eine Verzierung des Namens, die Eitelkeiten befriedigt, Vorurteile festigt und die gegenwartsbezogene Beurteilung der Person erschwert.
4) Der BGH: ein Debattierclub?
Mit dieser nach wie vor geltenden Vorschrift mißachteten die bisherigen Bundes- und Länderregierungen und mißachteten bedauerlicherweise weiterhin auch die gegenwärtige Bundesregierung und die Bundesländer seit über 40 Jahren die Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts. Die gesetzgebenden Organe von Bund und Ländern halten über Jahrzehnte mit ihren gesetzlichen Regelungen an alten, durch die Rechtsprechung abgelehnten Gewohnheiten fest. Sie mißachten den Gleichheitsgrundsatz (GG Art.3 Abs. 1), ohne die immer mehr als gefährdet angesehene Sicherheit der Bürger zu erhöhen. Das völlig inkonsequente, häufig sachfremde und nicht selten unberechtigte Hervorheben akademischer Erfolge erleichtert weder das Identifizieren von Verdächtigten noch die Strafverfolgung. In maschinenlesbaren Ausweisen verursachen die zwei Buchstaben „D und „r sogar Fehllesungen, weshalb dieser akademische Namenszusatz schon jetzt im Personalausweis und im Reisepaß in der am unteren Rand vorgesehenen maschinenlesbaren Zeile weggelassen werden.
Die regierungsseitig angeordnete, die BGH-Rechtsprechung ignorierende Regelung bewirkt eine lebenslang wirksame Hervorhebung eines bestimmten Personenkreises und damit indirekt eine Herabsetzung aller übrigen Bürgerinnen und Bürger mit besonderen Leistungen und Eigenschaften, mit und ohne Hochschulstudium. Sie fördert ferner das Bestreben, auf ungesetzliche und unlautere Weise einen akademischen Grad oder Titel zu erwerben, um sich mit dem Schein besonderer akademischer Leistung zu schmücken und um mehr Ansehen zu erlangen (4) (5) (6). Die evolutionsbedingte Eigenschaft des Menschen, Vorurteile zu bilden, sollte vom Staat nicht gefördert werden.
5) Die Persönliche Daten der Abgeordneten im Internet
Die persönlichen Angaben der Abgeordneten auf ihren Internetseiten widersprechen ebenfalls wie schon in den vergangenen Legislaturperioden der Rechtsprechung des
BGHs. So sind in der Namenszeile der Doktorgrad als Kürzel (Dr.), sogar auch der Professorentitel (Prof.), die Diplomgrade stehen in der Zeile für den Berufsangabe (7). Der BGH hat sogar auch die Frage verneint, ob ein vollständig angegebener akademischer Grad auf eine besondere Befähigung zur Berufsausübung hinweise (8).
Die teilweise sachwidrige Art, die persönlichen Daten der Abgeordneten anzugeben, fördert nicht das Ansehen der Abgeordneten und ist kein Vorbild für die Bürger des Landes. Als markantes Beispiel sei auf die Seite von Frau Angela Merkel, der Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU hingewiesen. Die diesbezüglichen Angaben lauten:
In der Namenszeile: Dr. Angela Merkel und in der Berufszeile: Beruf: Dipl.-Physikerin
6) Vom Markenzeichen zum Titelwesen
Die SZ schreibt im „Aktuellen Lexikon:
„die „doctores der frühen Neuzeit waren es, die den akademischen Grad erstmals wie ein Markenzeichen nutzten: als standespolitisches Kampfmittel gegen die nichtstudierten Heilkünstler und Quacksalber, mit denen sie im Wettkampf um die Kunden standen.
Das ehemalige „Markenzeichen der studierten Ärzte hat sich mit der Vielzahl der Studienfächer und den ständig zunehmenden Erwerbsmöglichkeiten akademischer Grade in ein tiefverwurzeltes Titelwesen geändert. Das mehrdeutige Symbol „Dr. provoziert auch die Frage, warum die Fachrichtung verschwiegen wird. Was früher die eindeutige Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Berufsgruppen garantierte ist heute ein umstrittenes weil unsicheres Beweiszeichen für außergewöhnliche, besonders geistige, und lebenslang bestehende Qualitäten der Promovierten. Das teilweise hartnäckig gepflegte Beharren auf dem Namensschmuck fördert Vorurteile und paßt nicht in eine demokratische Gesellschaft. Dementsprechend verzichten immer mehr leistungs- und wertbewußte Promovierte auf das Nennen ihrer akademischen Würden. In Druck- und Funkmedien werden meistens statt des wenig informativen „Dr. vor dem Namen die aussagekräftige Wendung „der diplomierte/promovierte (Physiker etc.) verwendet.
In der Gesellschaft steigt in dem Maße, wie auf die Nennung des akademischen Grades verzichtet wird, die Zahl derjenigen, die sich intensiv um eine akademische Verzierung bemühen und sie pflegen. Was dem Pfau das Rad, ist dem Menschen der Titel.
Mit freundlichen Grüßen Ulrich Werner
Inhaltsgleiche Briefe wurden an alle Abgeordnete geschickt. Geantwortet haben die Referenten der CDU/CSU-, der SPD- und der FDP-Fraktion.
Von den ebenfalls angeschriebenen Abgeordneten der Bündnis 90/Die Grünen äußerte sich niemand. Nur eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, Frau Bettina Rainer empfahl mir, den Petitionsausschuß hinzuziehen, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß sie ebenfalls promoviert sei.
Zur Übersicht: Der Deutsche Bundestag und sein Petitionsausschuss
am 22.04.2004
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