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Ein Herr Doktor ohne die Bestätigung an der Brust, dass er einer ist? Abgesehen von Österreich wäre das in Deutschland eine wahrlich revolutionäre Vorstellung. So etwas schafft eigentlich nur jemand, der selbstbewusst ist und keinen Titel zum Aufblasen des Ansehens braucht. Die Abschaffung des Doktorgrades im Reisepass konnte der im Vorjahr designierte und jetzige Ministerpräsident Bayerns, Günther Beckstein nicht zulassen. Er befürchtete für das durch Stoibers Schlagwort „Laptop und Lederhose bekannte Land einen bildungspolitischen Kollaps. Da fiel offenbar ein Laptopherz in eine alte Lederhose. Wie solle denn dann ein Zoll- oder Polizeibeamter bei einer Ausweiskontrolle erkennen, dass er einen „Gebildeten vor sich hat? Beckstein ließ die Vollakademiker nicht im Stich.. Mit dem für einen Promovierten wenig schmeichelhaften lächerlichen Hinweis auf bildungspolitische Traditionen fand er im Land Thüringen Verstärkung und im Bundesrat schnelle Zustimmung für die Ablehnung Schäubles Initiative. Die Angelegenheit wurde ohne Debatte einfach weggenickt. Der doktorlose Ausweis war kein Thema mehr. Eitelkeit besiegte die Vernunft.
Das Hochsicherheitsdokument wird also in Deutschland weiter als Visitenkarte missbraucht. Mit dem Einlesen der im Ausweis digital gespeicherten Daten ins Internet kann der Herr Doktor seine angeblich überdurchschnittlich große wissenschaftliche Kompetenz nun jederzeit weltweit bekannt geben. Es fehlt jetzt nur noch, dass in Bayern das Erbrecht für den Doktorgrad eingeführt wird. Doch dafür stehen die Aussichten sehr schlecht. Der Oberhüter bayerischer Bildungstradition hat nach dem Debakel bei der Landtagswahl im Oktober 2008 bereits wieder die politisch relativ einflussreiche Präsidentenposition verlassen.
Zum Artikel "Macht und Schein der Titel"
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