Das Fazit vorweg: Die Bundesregierung ließ sich ohne Not und Grund von ihrer eigenen sachlich begründeten Plan abbringen. Sowohl die Meinung des Sachverständigen Christoph Busch (Prof. Dr., vom Fraunhofer Institut/Hochschule Darmstadt) als auch die von anderen Seiten vorgebrachten zahlreichen begründeten Argumente wurden ignoriert. Ein Traditionssignal aus Bayern löste den Meinungsumfall aus. War etwa Gehirnwäsche im Länderspiel? Und alles nur, weil es Politiker gibt, die ihre Geltungssucht im Paß befriedigen wollen oder sogar müssen.
Der Anlaß Der Rat der Europäischen Union hat die Aufnahme des Gesichtsbildes sowie von Fingerabdrücken in elektronischer Form in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten verbindlich vorgeschrieben. (Bundestags-Drucksache 16/4138) Dieses Thema wird hier nicht behandelt.
Aufbruch ins 21. Jahrhundert? Bei dieser Gelegenheit plante die Bundesregierung, die Eintragung des Doktorgrades sowie Ordens- und Künstlernamens in den Pass und den Personalausweis sowie in die jeweiligen Register, einschließlich des Melderegisters abzuschaffen.
In der BT-Drucksache 16/4138 (Link Nr. 1) hat die Bundesregierung die Gründe für diese Änderung (Nichteintragung des Doktorgrades) ausführlich und überzeugend dargelegt. In Stichworten:
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Entlastung der Behörden, wiederholt gefordert
Vermeidung der Schwierigkeiten beim Feststellen der wissenschaftlichen Gleichwertigkeit ausländischer Grade mit inländischen
Ausweisbehörden fehlt Sachkunde zum Beurteilen ausländische Grade
Das Antragsverfahren für die Ausstellung des Passes wird verzögert
Forderungen der Länder und aus dem gesellschaftlichen Bereich, das Verfahren zu vereinfachen, werden ignoriert
Eintragbarkeit ausländischer Grade wird erheblich erschwert
Beschluß der KMK (21.9.2001) für einheitliche Regelungen wird mißachtet
Beabsichtigte Entlastung der Kultusbehörde wird konterkariert
Der Doktorgrad ist nicht zur Identifizierung einer Person notwendig
Weiterer Bürokratieabbau wird erschwert
Probleme sind größer als der Nutzen für Verwaltung und Bürger
Deutsche Praxis widerspricht internationalen Gepflogenheiten
Internationaler Standard für maschinenlesbare Reisedokumente wird mißachtet
Mißverständnisse bei der Grenzkontrolle, „DR wird als Teil des Namens angesehen)
Widerspruch aus Bayern! (Link Nr. 2) Im Kielwasser Thüringen
Zustimmung und Spott (Link Nr. 3)
Deutschland auf dem Weg zur Kleinkaro-Republik (Link Nr. 4) - Der Doktor bleibt im Paß
Der unwissender Rechtsexperte (Link Nr. 5)
Der drohende Ansehensverlust der Promovierten schien abgewendet (Link Nr.6)
Der deutsche Paß (Link Nr. 7) - ein Rezept für seelisch Kranke
Weitere ausführlich erläuterte Gründe (Link Nr. 8) gegen den Doktoreintrag im Paß habe ich als E-Mail geschickt an:
Frau Zypries, die Herren Schäuble, Beckstein (Dokumentation über „Dr. Becksteins Titelkampf) und Wiefelspütz sowie Kopien des Briefes von Peter Dominik „Deutschland, das Land der pass-inonierten Traditionalisten an die Damen und Herren vom Innenausschuß und vom Rechtsausschuß, an die Fraktionsvorsitzenden und an andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages.
Die Gründe der Bundesregierung ergänzt (Link Nr. 9), in Kurzfassung
„Brett vor dem Kopf"?
Vergebliches Bemühen! Sowohl die Stellungnahme eines Sachverständigen bei der Anhörung am 23.4.2007 als auch die ernstgemeinten und offenkundig fundierten Argumente von Bürgern gegen den Becksteinvorschlag, sogar die von der Bundesregierung selbst vorgebrachten sachlichen Gründe schienen plötzlich der gedankliche Ausfluß von Geisteskranken zu sein. Die Bundesregierung dokumentierte ihren Schwenk um 180 Grad in der BT-Drucksache 16/4456 (Link Nr. 10) vom 23.4.2007:
Bundesrat und Bundesregierung sind sich einig: Der Doktorgrad wird weiterhin im Pass angegeben.
Die Begründung: (Link Nr. 10)
... Der Begründung der Bundesregierung (sagt die Bundesregierung) kann nicht gefolgt werden. ...
Also. Zuerst die Eintragung wohl begründet abschaffen und dann auf Grund einer Traditionsblähung beibehalten.
Auffällig ist die Kürze der Begründung, mit der die Bundesregierung ihre der ursprünglichen nun entgegengesetzte Ansicht angibt. Kein Wort über die gedankliche Kehrtwendung. Die Ausreden laut BT-Drucksache 4456 (Link Nr. 10) können nur die Promovierten selbst überzeugen und diejenigen, die ins selbe akademische Horn blasen müssen, weil sie abhängig oder feige sind. Wenn gekungelt wird nützen auch die besten Argumente nichts; sie landen im Ignoranzschaum.
Zu den Ausreden in BT-Drucksache 16/4456 (Link Nr. 11)
in Schlagzeilen:
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Die erfolgreiche Traditionskeule
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Aus Schwarz wurde Weiß
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Ein Hirngespinst von Schäuble?
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Fortschritt unmöglich, es war schon immer so!
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Das "tägliche Leben" findet im Ausland statt
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Brille beschlagen
Ist den für das Paßgesetz Zuständigen eigentlich bewußt, daß ihr Verhalten in Sachen Doktoreintrag im Paß wenig bis keine Sachkompetenz offenbart?
Übrigens, die vollständige Verzierung für Deutschland lautet "Dr. trad." (traditionalis)
Ulrich Werner am 29.4.2007
LINKLISTE:
Nr. 1 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=11897
Nr. 2 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=12013
Nr. 3 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=12017
Nr. 4 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=11066
Nr. 5 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=10828
Nr. 6 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=12014
Nr. 7 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=12014
Nr. 8 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=8199
Nr. 9 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=11899
Nr. 10 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=11898
Nr. 11 http://www.sprache-werner.info/index.php?id=12019
Seit dem 24. Mai 2007 ist es offiziell:
Das Nachbarland Österreich ist als titelfreudig bekannt, wo fast jeder der dort noch üblichen Titel im Pass eintragbar ist. Beim Doktorgrad steht Deutschland weiterhin auf seiner Seite. Der bayerische Wink mit der Tradition hat in Berlin ein allgemeines Kopfnicken ausgelöst, und zwar bei den Abgeordenten und den Ministern, die sich Gedanken darüber hätten machen müssen, warum die von der Bundesregierung bereits vorbereitete Abschaffung der bisher geduldeten gesetzwidrigen und die Verwaltung belastende Eintragung des Doktorgrades in den Ausweisdokumenten plötzlich nicht mehr durchgeführt werden soll. Der Duft von akademischen Weihrauch scheint den Verstand vernebelt zu haben.
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