In Johan Schoemanns Artikel in der Internetausgabe des SZ-Magazins vom 14.07.2011 heißt es einleitend:
Promovieren für die Visitenkarte, das Klingelschild - und den Personalausweis. In Deutschland wird der Doktortitel noch immer im Pass vermerkt. So wird der akademische Grad zur persönlichen Aufwertung. Mit Wissenschaft hat das nichts mehr zu tun.
Er berichtet dann von einem Juraprofessor und Lehrbuchverfasser mit weiteren anspruchsvollen Tätigkeiten, der nur deshalb promoviert habe, weil er der Wendung entgehen wollte, er sei einfach Nix. So heißt er nämlich.
Auslöser der plötzlich aufgeflammten Debatte um den Doktoreintrag in Pass und Ausweis ist die im hamburger abendblatt vom 14.7.2011 aufgestellte Forderung von Krista Sager, forschungs-politische Sprecherin der Grünen im Bundestag, den Doktortitel in Zukunft nicht mehr im Personalausweis einzutragen. Der Doktortitel sei kein Namensbestandteil, sondern (nur?) ein akademischer Grad. Es tue der Wissenschaft offenkundig nicht gut, so Sager, wenn er für „gesellschaftliche Eitelkeiten und Titelhuberei benutzt würde.
Die Anrede mit „Doktor basiere lediglich auf deutschen Konventionen und sei international völlig unüblich, kritisierte Sager. Deutsche Promovierende hätten im Ausland einen sehr guten Ruf. Dies zu erhalten sei wichtig. Doch der Doktor im deutschen Ausweis oder als Anrede löse international eher Missverständnisse und Verwunderung aus.
Offenbar waren letztlich die Plagiatsfälle Auslöser für Sagers Vorstoß, der von der SPD unterstützt wird, endlich, muss ich sagen. Bisher lag sie auf einer Linie mit den anderen Parteien und sträubte sich ebenfalls gegen jeden Versuch, den Heiligenschein um die Doktorwürde zu beflecken.
Schloemann weist auch auf die eigenartige Eintragungspraxis hin, wonach zwar der Doktortitel eintragbar sei, nicht aber der Professor und die akademischen Abschlüsse Magister und Bachelor. Der Diplomgrad gehört auch zu den verschmähten Graden.
Auch auf die hohe Belastung der Meldebehörden wies Schloemann hin. Einer der Hauptargumente für Schäubles Vorstoß im Jahre 2007. Es ist kein Ruhmesblatt für den deutschen Gesetzgeber, der sich trotz mehrmaliger Hinweise weigert, die Urteile von Bundesverwaltungsgericht (1957) und Bundesgerichtshof (1962) im Passgesetz zu berücksichtigen. Deutlich gesagt, es ist unter der Würde eines selbstgerühmten Rechtsstaates, die so penetrant beim Doktortitel verteidigt wird.
Besonders bemerkenswert finde ich Schloemanns Feststellung, gerade die Anweisung laut Passgesetz, den Doktortitel in der Namenszeile im Pass zu nennen, belege die Erkenntnis, er sei kein Bestandteil des Namens.
Ich stimme Schloemann zu, mit Kritik im Sinne von Krista Sager lasse sich keine Änderung im deutschen Titelwesen herbei führen. Auch der Bundestagsantrag der Grünen Drs.Nr. 17/5195) kann in dieser Angelegenheit nichts bewirken, weil er den Doktoreintrag im Pass nicht betrifft. Die Titelverteidigungsstrukturen sind mafiaähnlich und parteiübergreifend unveränderbar gefestigt. Die Gefährdung des immer noch garantierten lebenslangen hohen Ansehens durch die akademische Verzierung vor dem Namen wird um keinen Preis zugelassen. Sowohl die vollständige Angabe des Titels also mit Angabe der Fakultät als auch die Nennung hinter dem Namen mit Ort und Jahr der Dissertation, obwohl sachlich angemessen und mit Sicherheit weltweit begrüßt, dürfte den Drang nach persönlicher Aufwertung und nach Befriedigung der Eitelkeit keinesfalls verringern.
Schloemanns Bedauern, eine würdige Darstellung der Person gebe es im Pass und Personalausweis ja ohnehin nicht mehr, weil wir alle auf den biometrischen Passfotos wie verschreckte Maulwürfe aussähen, da hat sich eigentlich nicht viel geändert, kann bei Bedarf entschärft werden, indem einfach ein „schönes Foto vorgelegt wird.
Ulrich Werner, 20.7.2011
PRESSEMITTEILUNG NR. 0622 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 14. Juli 2011
Das deutsche Titelwesen
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