Von Rechtsanwalt Wolfgang Zimmerling, Dr.jur., FAArbR, FAVerwR, Saarbrücken
Resümee Der Promovierte hat keinen Anspruch auf Anrede mit dem Doktorgrad. Sofern allerdings im Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber den akademischen Grad des Arbeitnehmers verwendet, muß er ihn in der korrekten Form verwenden. Fragen der Höflichkeit sind vorliegend nicht zu diskutieren. (17)
In Gerichtssälen geschieht es immer wieder, daß ein promovierter Prozeßbeteiligter in Ermangelung besserer Argumente darauf besteht, von den übrigen Prozeßbeteiligten mit dem Doktorgrad angeredet zu werden, um so von den eigentlichen Problemen des Falles abzulenken. Nicht immer kann der Angesprochene auf die Gepflogenheiten des diploma-tischen Dienstes verweisen, wonach es nicht üblich sei, daß Promovierte sich mit dem Doktorgrad anreden. Häufig wird deshalb die Frage gestellt, ob ein Promovierter einen Anspruch hat, mit dem Doktorgrad angeredet zu werden.
Rechtliche Qualifizierung des Doktorgrades Voraussetzung des Anspruchs auf Anrede mit dem Doktorgrad ist die Qualifizierung des Doktorgrads als Namensbestandteil § 12 BGB). Die Judikatur vertritt hingegen die Auffas-sung, daß der akademische Grad (somit auch der Doktorgrad) kein Bestandteil des Namens ist.(1) Das verwaltungsrechtliche Schrifttum ist der gleichen Nleinung.(2) Unklar ist das zivilrechtliche Schrifttum. Zwar wird überwiegend im Anschluß an die Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß der Doktorgrad kein Bestandteil des Namens ist. (3) Es wird allerdings auch ausgeführt, „akademische Titel" gehören zum Namen (4) bzw. seien Namensattribute.(5) Die Unklarheiten beruhen darauf, daß in der zivilrechtlichen Literatur nicht hinreichend gewürdigt wird, daß der Doktorgrad (lediglich) ein von der Hochschule verliehener akademischer Grad ist. Statt dessen ist vielfach die Rede von „akademischen Titeln (6), die im Zusammenhang mit Adelstiteln oder Adelsbezeichnungen genannt werden, die gem. Art. 109 III 2 WRV Teil des bürgerlichen Namens sind (soweit sie vor dem 14.8.1919 erworben worden sind). (7) Daß der „Doktortitel" tatsächlich ein akademischer Grad ist, ergibt sich zwingend aus § 18 II HRG. Durch die Verleihung des Doktorgrades wird die erbrachte wissenschaftliche Leistung gewürdigt.(8) Die Promotion ist eine Hoch-schulprüfung, wie viele andere Prüfungen auch (§§ 15 ff HRG). (9) Mit dem (bürgerlichen) Namen hat dies nichts zu tun.
Irritationen mag es geben, weil der Doktorgrad in den Reisepaß oder Personalausweis eingetragen werden kann. Dies ergibt sich aufgrund Gesetz (vgl. § 4 I 2 Nr. 3 PaßG sowie § 1 II 2 Nr. 3 PAuswG).(10) Wäre der „Doktortitel" Namensbestandteil, so hätte es dieser Regelungen nicht bedurft. Schließlich ist darauf zu verweisen, daß in Personenstands-büchern und -urkunden der Doktorgrad nur mit Einwilligung des Betroffenen eingetragen werden darf. So gibt die Heiratsurkunde nur den wesentlichen Inhalt der Eintragung im Heiratsbuch wieder; die Angabe des akademischen Grades ist als wesentlicher Teil in § 63 PStG nicht aufgeführt und unterbleibt, wenn sie vom Betroffenen nicht gewollt ist.(11)
Da somit der akademische Grad kein Namensbestandteil ist, hat der Promovierte keinen sich aus § 12 BGB ergebenden Anspruch auf Anrede mit dem Doktorgrad. (12)
Doktorgrad im Arbeits- und Beamtenverhältnis Das BAG vertritt die Auffassung, daß der Arbeitnehmer aufgrund des verfassungsrechtlich geprägten allgemeinen Persönlichkeitsschutzes einen Anspruch darauf hat, daß der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer erworbenen akademischen Grad im Geschäftsverkehr nach außen in seiner konkreten Ausgestaltung korrekt verwendet (entsprechend der Diplomurkunde). Die fehlerhafte oder unvollständige Verwendung des akademischen Grades bedeute einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, der aller-dings durch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein kann. (13) Gegebenenfalls kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 BGB bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht die Beseitigung einer fortwirkenden Beeinträchtigung verlangen. Ihm stehe ferner der gleichfalls in entsprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 BGB entwickelte vorbeu-gende Unterlassungsanspruch zu, sofern die Besorgnis künftiger Wiederholung des Eingriffs besteht. (14)
Das VG München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob das Weglassen des Doktor-titels gegenüber dem promovierten Dienstvorgesetzten das beamtenrechtliche Gebot zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. (15) Das VG München hat diese Frage verneint, da bei objektiver Betrachtung in dem Weglassen des Doktorgrades keine das Ansehen der Person beeinträchtigende Anrede liege. Offengelassen wurde die Frage, ob gleiches gilt, wenn der Betroffene Wert darauf legt, mit seinem „vollen Namen" ange-sprochen zu werden und wenn sich der Beamte bewußt über diese Bitte hinwegsetzt.
Der Entscheidung des VG München ist zuzustimmen. Gemäß § 81 BBG (und den entspre-chenden Bestimmungen der Landesbeamtengesetze) führt der Beamte im Dienst die Amtsbezeichnung des ihm übertragenen Amtes. Dies bedeutet jedoch lediglich, daß sich der Beamte dieser Amtsbezeichnung bedient. Die Vorschrift gibt dem Beamten keinen Anspruch auf Verwendung der Amtsbezeichnung durch den Dienstherrn und auch keinen Anspruch darauf, von anderen Beamten oder vom Publikum mit seiner Amtsbezeichnung angeredet zu werden. (16) Für den Doktorgrad hat entsprechendes zu gelten.
Literatur
1) Z.B. BVerwGE 5, 291 ff; BGHZ 38, 380 ff; s.a. KG, NJW 1965, 254 ff. 2) So z.B. Zimmerling, Akademische Grade und Titel, 2. Aufl., Rn. 64 ff; Kahle, Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen, S. 196. 3) So z.B. Staudinger, BGB, 13. Aufl., § 12 Rn. 31; Palandt, BGB, 55. Aufl., § 12 Rn. 4; RGRK, BGB, 12. Aufl., § 12 Rn. 32. 4) So z.B. Hadding, JuS 1976, 582; Schmieder, JuS 1995, 119. 5) So z.B. Hönn, ZHR 153 (1989), 387. 6) S.a. MK-Schwerdtner, BGB, 3. Aufl., § 12 Rn. 21. 7) MK-Schwerdtner, aa0, Rn. 22. 8) Karpen, in: Hailbronner, HRG, § 18 Rn. 30; Reich, HRG, 5. Aufl., § 10 Rn. 13; Zimmerling, aa0, Rn. 49. 9) VGH Kassel, NJVwZ-RR 1993, 623; Reich aa0. 10) BVerwG, NJW 1989, 1656; MedertlSüßmuth, Paß- und Personalausweisrecht, 2. Aufl., C Rn. 24. 11) BayObLG, MDR 1990, 635; s.a. Gaaz, Das Standesamt, 1985, 189 ff. 12) S.a. LaufslUhlenbruck, Hdb. d. Arztrechts, § 9 Rn. 6; Kahle, S. 196; Gaaz, S. 191. 13) BAG, MDR 1984, 873 f = AP Nr. 5 zu 611 Persönlichkeitsrecht m. Anm. Echterhölter; hierzu Blomeyer in: Münch. Hdb. ArbeitsR, Bd. 1, § 95 Rn. 21. 14) Zustimmend Erman, BGB, 9. Aufl., Anhang zu § 12, Rn. 401; Soergel-Siebert, BGB, 12. Aufl., § 12 Rn. 4 mit Fußn. 8 sowie Rn. 157. 15) VG München, BayVBI. 1939, 25 f. 16) VGH Mannheim, ZBR 1976, 256; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, § 81 Rn. 10; Battis, BBG, § 81 Rn. 3; Wiese, Beamtenrecht, 3. Aufl., S. 219; vgl. Protokolle über die 267. BT-Sitzung, 1. Wahlperiode, 13126 D. 17) S.a. OVG Lüneburg, NJW 1995, 1572 f zur Anrede „Frau".
Devote oder höflich gemeinte Anrede von Promovierten im "Tagesgespräch" des Bayerischen Rundfunks.
Internationale Lachnummer: Dr. Deutschland - Deutschland mißbraucht ein Hochsicherheitsdokument (den Paß) zum Verbreiten von akademischem Weihrauch - Hü und hott mit dem neuen Paßgesetz
|