Stellungnahmen im Plenarprotokoll 17/149 vom 15.12.2011 der
CDU/CSU-Fraktion;
SPD-Fraktion;
FDP-Fraktion;
DIE LINKE-Fraktion;
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Fraktion;
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Deutschland ist es möglich, den akademischen Doktorgrad auf Wunsch in den Pass oder Personalausweis eintragen zu lassen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schlagen wir vor, sich nun endlich von dieser Praxis zu verabschieden. Sie ist nämlich eine überflüssige, aufwendige und überholte Konvention, die nur zu unnötigen Missverständnissen führt. Der Doktor ist weder ein Titel noch ein Namensbestandteil. Er ist schlicht der Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifikation. In einem Personaldokument hat der Doktor genauso wenig zu suchen wie andere Qualifikationsbezeichnungen, sei es der Professor, Master oder Meister, die schließlich auch nicht eingetragen werden. Mit der Eintragungspraxis steht Deutschland international weitgehend isoliert da wenn man mal
von Österreich absieht, wo man offenkundig auch gerne an längst überflüssigen Konventionen festhält. Mit der Identifizierung einer Person hat der Doktorgrad nichts zu tun. Beim Grenzübertritt kann der Doktor aber zu Missverständnissen führen, weil er manchmal für einen Teil des Namens gehalten wird.
Darauf hat das Bundesinnenministerium schon 2007 hingewiesen, bei dem Vorstoß zur Abschaffung der Eintragungspraxis. Es ist bedauerlich, dass der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sich mit diesem Beitrag zum Bürokratieabbau nicht durchsetzen konnte. Denn es handelt sich in der Tat um einen Mehraufwand für die zuständigen Behörden, auf den man sehr gut verzichten könnte. Noch aufwendiger und schwieriger wird die Sache dadurch, dass die Gleichwertigkeit ausländischer Abschlüsse mit dem deutschen Doktor von den Kultus- und Wissenschaftsministerien nicht mehr geprüft wird. Nun müssen sich also Behörden, die für Pässe und Personalpapiere zuständig sind, damit herumschlagen, wenn jemand einen ausländischen Abschluss in einem deutschen Personaldokument als Doktor eingetragen haben möchte. Hier kann die Regierungskoalition also mal zeigen, wie ernst es ihr mit dem Bürokratieabbau ist. Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Reihe prominenter Plagiatsfälle gab und gibt es auch aus der Wissenschaft verstärkt die Forderung, den akademischen Doktorgrad von unangemessenen gesellschaftlichen Überhöhungen zu befreien und ihn auf seinen Kerngehalt zurückzuführen, nämlich den Nachweis zur Befähigung, einen eigenständigen originären Beitrag zum Fortschritt
der wissenschaftlichen Erkenntnis leisten zu können.
Als wissenschaftspolitische Sprecherin hat es mich erleichtert und erfreut, dass der Wissen-schaftsbereich sich erfolgreich gegen alle Versuche zur Wehr gesetzt hat, wissenschaftliches Fehlverhalten zu bagatellisieren und als Kavaliersdelikt abzutun. Dabei geht es auch darum, den hervorragenden Ruf deutscher Promotionen zu verteidigen. Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen und Ansätzen, wie die Qualitätssicherung im Bereich wissenschaftlichen Arbeitens verbessert werden kann. Im zuständigen Ausschuss haben wir uns damit gründlich unter anderem in einem Fachgespräch befasst. Es ist allerdings deutlich geworden, dass es in Deutschland offenkundig Anreize und Versuchungen gibt, den Doktorgrad nicht als Nachweis wissen-schaftlicher Qualifikation zu erlangen, sondern zur Steigerung der persönlichen gesellschaftlichen Reputation.
Im Fachgespräch zur „Qualität wissenschaftlicher Arbeiten sprach Professor Hornbostel vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung von einem „bürgerlichen Adelstitel, und die Expertin Professor Debora Weber-Wulff von der Hochschule für Technik und Wissenschaft forderte, die Verwendung vonwissenschaftlichen Graden im zivilen Lebens ganz abzuschaffen. Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Professor Karl Ulrich Mayer, wies auf einem Symposium der DFG darauf hin, dass es abgeschafft gehöre, dass der Doktor wie ein Bestandteil des bürgerlichen Namens behandelt wird.
Die Eintragung des Doktors in die Personaldokumente leistet dem Missverständnis Vorschub, dass es sich dabei um eine Art ehrenvolle Kennzeichnung der Person handelt statt um einen Qualifikationsnachweis. Auch dies ist ein Grund, die Eintragungspraxis zu beenden.
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