Stellungnahmen im Plenarprotokoll 17/149 vom 15.12.2011 der
SPD-Fraktion;
FDP-Fraktion;
DIE LINKE-Fraktion;
BÜNDNIS/DIE GRÜNEN-Fraktion
CDU/CSU-Fraktion:
Tankred Schipanski (CDU/CSU) Man könnte denken, Karneval steht vor der Tür und nicht Weihnachten. Einen solchen Gesetzentwurf im Zeitalter der Bildungs-republik Deutschland in dieses Hohe Haus einzubringen, kann man selbst mit Humor nicht nachvollziehen. Die Streichung des Doktortitels aus dem Personal-ausweis ist das Ziel des hier eingebrachten Gesetzentwurfs. Hintergrund sind, und das machen die Interviews aus dem Sommer dieses Jahres von der Ideengeberin dieses Antrags, Kollegin Sager, deutlich, die Plagiatsvorwürfe gegenüber unserem ehemaligen Verteidigungsminister. Sie möchten prominente Einzelfälle in der öffentlichen Diskussion halten und wir müssen uns daher mit derartigen Schaufensteranträgen befassen. Dass Sie in dieser Debatte auch noch auf eine Anhörung im Wissenschaftsausschuss verweisen, um Ihre Ideen zu untermauern, ist mehr als fragwürdig. Eine einzige Sachverständige hat dort nebenbei angemerkt, dass sie sich vorstellen könnte, dass auch die gesellschaftliche Reputation des Doktortitels in der besonderen Form der Eintragung in den Personalausweis oder Pass Anreiz für Personen sein könnte, den akademischen Abschluss des Doktors zu erwerben. Diese Einzel-meinung, die weder bewiesen, evaluiert noch fundiert ist, als Aufhänger für einen Gesetz-entwurf zu nehmen, ist einfach nur abenteuerlich. In Ihrem Antrag unterstellen Sie unseren Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftlern, den Doktorgrad als Titel vorrangig zur Steigerung der gesell-schaftlichen Reputation zu nutzen und nicht als Nachweis wissenschaftlicher Qualifikation. Der akademische Grad des Doktors ist eben wesentlich mehr als der „normale wissenschaftliche Abschluss eines Bachelor, Master, Magisters oder Diploms. Er ist eben gerade nicht der berufs-qualifizierende Abschluss, sondern eine wissenschaftliche Zusatzqualifikation, welche aus-schließlich durch eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit erreicht werden kann. Dies unter-scheidet ihn maßgeblich von den Abschlüssen wie Bachelor oder Master, die sich immer primär aus Prüfungsleistungen zusammensetzen. Auch der akademische Titel eines Professors ist nicht ausschließlich durch eine eigene wissenschaftliche Arbeit zu erreichen, sondern bedarf immer einer Berufung. Von daher wird der akademische Grad eines Doktors traditionsgemäß besonders behandelt. Die sehr gute deutsche akademische Ausbildung ist und bleibt Garant für die hohe Qualität des Doktorgrades. Diese Ausbildung zu optimieren, ist Aufgabe der Politik. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion macht dies unter anderem durch die Einbringung eines Antrags zum wissen-schaftlichen Nachwuchs oder auch mit der Anhörung im Ausschuss zum Thema Qualität wissenschaftlichen Arbeitens.
Der Gesetzentwurf der Grünen schadet nicht nur der hohen Reputation unserer akademischen Abschlüsse, sondern er beschädigt auch die Ehre unserer Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler. Für uns Wissenschaftler ist das Streben nach Wissen Anreiz und nicht die Steigerung gesellschaftlicher Reputation. Die hohe gesellschaftliche Reputation des Doktortitels ist faktisch Nebenwirkung der hohen wissenschaftlichen Reputation unserer Abschlüsse. In Deutschland steht der Doktortitel eben nicht nur für wissenschaftliche Qualifikation, sondern auch für eine ausge-zeichnete Allgemeinbildung. Dies zeigt die richtige Verankerung unserer Wissenschaftler in der Gesellschaft. Der akademische Doktorgrad ist ob der hohen Qualitätsanforderung eben nicht nur akademisches Merkmal, sondern auch ehrenvolle Kennzeichnung einer Person. Eine Doktorprüfung ist immer verbunden mit einem Rigorosum oder Disputation. Hierbei muss der Doktorand eben auch fachfremde Kenntnis darlegen. Das ist auch Grund für die hohe Reputation dieses Titels. Die überwältigende Mehrheit der Doktoranden in Deutschland promoviert aus akademischen Gründen und nicht aus Statuserwägungen. Eine große Gruppe wird durch den Gesetzentwurf für die Verfehlungen Einzelner in Haftung genommen. Aber auch die kleine Gruppe der Doktoranden, die angeblich lediglich aus Statusgründen promoviert, wird sich von einer Streichung des Doktorgrades aus dem Personalausweis und dem Reisepass nicht von der Promotion abbringen lassen. Die Streichung des Doktorgrades greift somit viel zu kurz, um zu einem Mentalitätswandel in dieser kleinen Gruppe beizutragen, und versucht, der überwältigenden Mehrheit der Doktoranden, die aus wissenschaftlichen oder beruflichen Erwägungen heraus promovieren, das Recht zu nehmen, ihren Titel so wie bisher freiwillig eintragen zu lassen und sich für ihre jahrelange Mühe zu belohnen. Die im Zuge der Plagiatsfälle zutagegetretenen Probleme bei der Qualitätssicherung der Promotion werden durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung nicht einmal ansatzweise gelöst. Vielmehr wird die junge Generation von Doktoranden bewusst schlechter gestellt. Es ist ein Zeichen von Aktionismus und ein reiner Schaufensterantrag und verdient damit abgelehnt zu werden. Vielmehr sind wie in der Begründung des Gesetzentwurfs (auf Seite 8) richtigerweise bemerkt wird tiefgreifendere Veränderungen im Wissenschaftsbereich notwendig. Seit den Plagiatsfällen haben die Wissenschaftsorganisationen und die Politik sehr viel zur Qualitätssicherung der Promotion unternommen, insbesondere: Positionspapier des Wissenschaftsrats vom 11. November 2011, in Rekordzeit vorgelegt, zu den Kerninhalten verweise ich auf dieses Papier, die Anhörung im Ausschuss für BuF zur Qualität wissenschaftlicher Arbeiten vom 29. November 2011, zu den Ergebnissen verweise ich auf die Protokolle, wobei ausdrücklich die hier vorgeschlagene Maß-nahme nicht benannt wird, weitere Maßnahmen des BMBF und der Allianz der Wissenschafts-organisationen wie den Ombudsmann der DFG. Den geplanten Antrag der CDU/ CSU-Bundes-tagsfraktion zur Verbesserung der Karriereperspektiven der Nachwuchswissenschaftler habe ich bereits erwähnt. Es ist aber nicht zu vergessen, dass die Hauptzuständigkeit für die Qualitäts-sicherung der Promotion bei den Hochschulen liegt.
Lassen Sie mich am Ende der Rede auf Österreich blicken. Hier kann man nicht nur den Doktorgrad in ein amtliches Dokument eintragen lassen, sondern auch akademische Titel wie Magister oder Dipl.-Ing. Keiner käme hier auf die Idee, diese Titel zu diskreditieren. Vielmehr sind unsere Landsleute in Österreich stolz auf weiterführende Bildung. Wir sollten auch stolz auf die gute Reputation unserer akademischen Grade sein und nicht der Phrase der Grünen folgen, die uns eine gesellschaftliche Überhöhung der Doktorgrades unterstellen. Dies ist unredlich, unrichtig und beschädigt die akademische Kultur in der Bildungsrepublik Deutschland.
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