10.8.2011 Sehr geehrter Herr Werner,
es ist richtig, dass der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in der Großen Koalition eine Änderung des Gesetzes über den Personalausweis und den elektronischen Identitätsausweis initiiert hatte. Ebenfalls zutreffend ist es, dass damals diskutiert wurde, ob der Doktorgrad im Personalausweis weiterhin eingetragen werden sollte oder nicht. Allerdings ist Ihre Vermutung nicht zutreffend, dass dies aufgrund der von Ihnen zitierten Urteile von Bundesverfassungsgericht, Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof erfolgen sollte. Die Initiative ging vielmehr darauf zurück, dass Verfahrensvereinfachungen bei der Beantragung des Personalausweises angestrebt wurden und die Eintragung des Doktortitels als eine mögliche Vereinfachungsmaßnahme zur Disposition stand. Insofern wurden die damaligen Überlegungen selbstverständlich zu keiner Zeit "als Witz bezeichnet".
Im Übrigen sind mir die von Ihnen benannten Gerichtsurteile sehr wohl bekannt. Auch die Feststellung, dass der Doktorgrad kein Bestandteil des Namens und auch keine Berufsbezeichnung ist, ist korrekt. Sie behaupten jedoch irrtümlicherweise, dass meine Kollegin Krista Sager sich auf diese Urteile berufen habe, um klarzustellen, dass der Doktorgrad kein Namensbestandteil ist. Dieser Feststellung bedurfte es nicht, da diese Urteile sowohl anerkannt als auch beachtet werden. Richtig ist vielmehr, dass Frau Sager aus sachfremden Erwägungen heraus - es ging um Möglichkeiten, Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten zu verhindern - einen Vorschlag unterbreitet hat, der weder in der Sache hilfreich ist noch ernsthaft als mögliche Maßnahme gegen das Plagiieren wissenschaftlicher Arbeiten herangezogen werden kann. Nur aus diesem Grunde wurde ich mit der Aussage im FOCUS richtigerweise zitiert, dass ich einen solchen Vorstoß als nicht hilfreich erachte und entsprechend dem berühmten Ausfüllen des "Sommerlochs" zuschreibe.
Ihre persönliche Einschätzung nämlich, dass die Eintragung des Doktorgrades im Personalausweis urteilswidrig sei, ist nicht zutreffend. Sie irren, wenn Sie annehmen, dass der Gesetzgeber daran gehindert sei, objektiv-rechtlich festzulegen, dass der Doktorgrad in bestimmte Dokumente aufgenommen werden kann oder soll. Der Personalausweis dient der Identifizierung von Personen und enthält infolgedessen eben nicht nur den Namen einer Person (der ja auch häufig nicht einmalig ist), sondern auch andere Merkmale, die zur Identifizierung einer Person beitragen (wie Größe, Augenfarbe - und wenn vorhanden auch der Doktortitel). Der Doktorgrad steht daher in einem engen Zusammenhang zum Namen, auch wenn er nicht Bestandteil des Namens ist. Er ist geeignet, einen Beitrag zur Identifizierung von Personen zu leisten. Es muss also weder „eine rechtsstaatliche faulende Wunde oder gar ein personenstandrechtlicher Skandal beseitigt werden, da es diesen entgegen Ihrer Behauptung nicht gibt. Und deshalb gibt es auch keinen Grund für eine sogenannte „Doktorlobby die von Ihnen benannten Urteile geheim zu halten oder gar zu missachten.
Insofern war meine Wortwahl gegenüber meiner Bundestagskollegin Krista Sager auch nicht völlig unangemessen und ich denke, dass ich Ihnen dargelegt habe, dass ich zum Thema Passeintrag durchaus etwas zu sagen habe. Dass Sie aus o.g. Gründen eine andere Auffassung vertreten, steht Ihnen frei. Juristisch gesehen, sind Sie jedoch einem Irrglaube aufgesessen. Aus meiner Sicht - und das ist auch die Auffassung meiner Fraktion bedarf es keiner Gesetzesänderung zur Streichung des Doktorgrades aus den Angaben des Personalausweises.
Was Ihre Einschätzung zum Umgang des deutschen Wissenschaftssystems mit Dissertationen und der Verleihung des Doktorgrades angeht, so stimme ich Ihnen zu, dass die jüngst bekannt gewordenen Plagiatsfälle ein generelles Defizit im Wissenschaftssystem offengelegt haben. Ihre Einschätzung, dass die Diskussion hierüber „scheinheilig sei, teile ich selbstverständlich nicht. Sowohl die Verantwortlichen an den Hochschulen als auch die Experten in Wissenschaft und Politik nehmen die aufgedeckten Missstände und Probleme ernst und prüfen und ergreifen geeignete Maßnahmen im Umgang mit Plagiaten. Diese Anstrengungen bitte ich Sie anzuerkennen und zu respektieren.
Mit besten Grüßen aus Berlin
Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann MdB Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Forschungspolitik
Berliner Büro Platz der Republik 1, 11011 Berlin (Postanschrift) Tel. 030 227-75741, Fax 030 227-76741 martin.neumann@bundestag.de www.martin-neumann.net
Bürgerbüro Spremberger Str. 4, 03046 Cottbus Tel. 0355 620-2221, Fax 0355 620-2224 martin.neumann@wk.bundestag.de
mein (erster) Brief vom 25.7.2011
meine Erwiderung vom 28.8.2011
|