Es wird kaum mehr gedankt, man "bedankt sich", und das immer bei anderen, ohne bei ihnen zu sein. Die Selbstbedankung im deutschen Sprachgebrauch ist einmalig auf der Welt. In keiner anderen Sprache wird beim Danken das Gegenteil von dem gesagt/geschrieben, was gemeint ist. Die beliebte Floskel paßt zum Badewannendeutsch mit seinen Schwulst-, Schwamm- und Blasenwörtern. Doch niemand begrüßt sich, wenn Besuch kommt. Kein Arzt behandelt sich (beim Patienten). Niemand beschenkt sich zum Geburtstag des Freundes.
Es wird eingeräumt, daß die sinnwidrige Dankesfloskel ("ich bedanke mich") seit vielen Jahren üblich ist. Sie paßt sehr gut zu dem Bedürfnis, sich geschraubt auszudrücken. Eine Notwendigkeit, die klassischen deutschen Dankesworte "danke", "vielen Dank", "herzlichen Dank", "ich danke ihnen" mit diesen genannten und den sich einander widersprechenden Formulierungen "ich bedanke mich" und "ich bedanke dich" als Synonyme in einen Topf zu werfen, etwa um die Sprache zu bereichern, ist nicht erkennbar. Über eine derart auffällige Inkonsequenz müssen sogar Ausländer, die Deutsch lernen, den Kopf schütteln, wenn sie die absurde Sinnverschmelzung der Verben mit entgegengesetzter Dankesrichtung lernen sollen. Analog bestände kein Unterschied darin, ob der Arzt sich oder den Patienten behandelt, ob ich mich begieße oder die Blumen.
Die Sprache eines Volkes ist ein oft gepriesenes hohes Gut. Kann es dann angemessen sein, widersinnige Redewendungen nur deshalb zu tolerieren, weil angeblich gewußt wird, was damit gemeint ist? Oder ist diese sich ständig ausbreitende Gewohnheit, die eigene Meinung und die Aussage zu verschleiern, nicht vielmehr die Folge der nachlassenden Fähigkeit, Sinn und Bedeutung der gesprochenen und geschriebenen Worte (Wörter) zu erkennen? Sie sollte geübt, nicht gebremst werden.
Das bekannteste deutsche Wörterbuch, der Duden, und andere Nachschlagewerke kennen keinen Unterschied zwischen dem Verb
1. danken (wir danken) - und den Wendungen 2. sich bedanken (wir bedanken uns) und 3. jemanden bedanken (wir bedanken euch).
Es ist offensichtlich und wird unverständlicherweise verkannt, daß mit "sich" (uns) und "jemand" (euch) verschiedene Personen den Dank erhalten.
Daß auch mit den Formulierungen 1. und 2. keine unterschiedliche Dankverteilung bezeichnet wird, beweist folgende Gegenüberstellung:
A. Wir danken uns. - B. Wir bedanken uns. Diese zwei Versionen der Dankbezeugung unterscheiden sich wörtlich nur durch die Vorsilbe "be" in der Version B. Die Vorsilbe "be" bewirkt aber keine Umkehr der Dankesrichtung, sondern bestärkt sie (vergl. die Erläuterungen in 1c.).
Die Floskeln "ich bedanke mich" und "wir bedanken uns" sind bereits derart verbreitet, daß der Widersinn nicht bemerkt oder ignoriert wird. Vergleichsweise würde niemand seine Gäste mit "Ich begrüße mich bei Ihnen" empfangen. Wer sich behandelt (Selbstmedikation), handelt am eigenen Körper. Ein Psychotherapeut nannte diese deutsche Selbstbedankung eine verbale Selbstbefriedigung (Onanie). Analog nannte Gustav Seibt die Einbrüche junger Männer "Onanie, Wichserei", aber auf Kosten Dritter (SZ Wochenende vom 12./13.02.2005). Er bezog sich dabei auf den Film von Hans Weingärtner "Die fetten Jahre sind vorbei". Darin brachen junge Mäner bei Reichen ein, verursachten ein Chaos und ließen Zettel mit der Aufschrift "Die Erziehungsbrechtigten" zurück, also Einbruch ohne Diebstahl. Sie dienten ausschließlich, so Seibt, "der moralischen Wellness junger Männer im politischen Triebstau.
Vom Duden kommt keine Aufklärung. Er beugt sich in bekannter Weise dem Sprachgebrauch, obwohl mehrere grammatikalische, gegen den synonymen Gebrauch der Wendungen "danken, bedanken" und "sich bedanken" auch vom ihm dokumentierte Regeln stehen. So spricht sowohl die Regel für reflexive Verben gegen die Selbstbedankung als auch die für das Präfix "be". Auch ist kein Grund dafür ersichtlich, warum "bedanken" im Wörterbuch nicht unter
1., vom Substantiv "Dank" abgeleitet, und unter 3., vom Verb "danken" abgeleitet, aufgeführt ist (siehe Abs. 3. Der Sprachgebrauch).
In der reflexiven Form ("sich bedanken") gäbe es analog den Wortbildungen "sich bekleiden" und "sich beschmieren" einen Sinn.
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