Das ursprünglich ausschließlich aktivisch benutzte Suffix "fähig" im Sinne von "fähig, etwas zu tun" (in "arbeitsfähig", "lernfähig", "fahrfähig, "lauffähig", "sehfähig") wird seit einigen Jahren immer öfter - vom Duden empfohlen - passivisch eingesetzt. Es soll damit ausgedrückt werden, daß etwas für etwas geeignet sei. Die vorhandene Suffixe zum Bilden von Eignungs-adjektiven wie "bar", "lich" und "abel" (in "lenkbar", "erträglich", spendabel) werden mit dieser Be-fähig-ung" nicht nur ignoriert, sondern sogar ersetzt, was zu Mißverständnissen führt.
Beispiel für die Verwechslung von "bar" und "fähig": Der Fahrer sitzt nicht im "lenkfähigen" Auto; er ist es selbst, der (hoffentlich) die Fähigkeit zum Lenken besitzt. Das Auto ist "lenkbar".
Das Ergebnis der mißverständlichen, oft falschen Wortwahl besteht in einer Flut von schwam-migen, praktisch mit jedem Hauptwort als Bestimmungswort bildbaren Wortkonstruktionen, die nicht mehr erkennen lassen, ob aktivischer oder passivischer Sinn gemeint ist.
Häufig werden auch Hauptwörter (Substantive) als Grundlage (Bestimmungswort) für die Wort-bildungen mit "fähig" verwendet, besser gesagt mißbraucht, in denen die Eignung für etwas (Funktion, Tätigkeit usw.) durch das Suffix "fähig" ausgedrückt werden soll. Damit versteckt sich die Eignung in einer Scheinfähigkeit, was zum Verschmelzen von Aktivität und Passivität führt. Eine Differenzierung wird unmöglich.
Aktuelle Beispiele: regierungsfähig, mehrheitsfähig, abzugsfähig, genußfähig, schuldfähig, waffenfähig, versandfähig, medikamentenfähig, eurofähig, BTX-fähig, internetfähig, PC-fähig, steuerungsfähig, friedensfähig, notstromfähig, verschreibungsfähig, verbesserungsfähig, neuerdings auch mißbrauchsfähig und abluftfähig. Die Kombinationsmöglichkeiten scheinen unbegrenzt zu sein.
"zukunftsfähig": ist damit gemeint, die Zukunft zu gestalten, zu beeinflussen, zu verändern, zu ertragen, zu deuten usw.?
"mehrheitsfähig": ist damit gemeint, die Mehrheit herbeizuführen, zu gestalten, zu begründen, zu beeinflussen, zu verändern, zu ertragen, usw.?
Der ständig zunehmende Trend, in Eignungen Pseudofähigkeiten zu sehen, wo keine sind, trägt nicht nur zum Verhunzen der Sprache bei, sondern verwischt auch den Unterschied zwischen den aktivischen und den "dudenfähigen" passivischen Auslegungen. Die Neigung, sich unklar auszudrücken, wird unterstützt. Der häufige Gebrauch in der Umgangssprache läßt annehmen, das sei gutes Deutsch.
Beispiele für richtiges, allerdings dudenwidriges Deutsch: statt abzugsfähig (Steuern): abziehbar, abzugsgeeignet genußfähig: genießbar, genießerisch, genußverheißend, schuldfähig: schuldeinsichtig, schulderkennend, schuldbewirkend usw., waffenfähig: waffentauglich, waffengeeignet, versandfähig: versendbar, versandgeignet,
Die spezielle Rolle des Duden bei dieser für die deutsche Sprache mindestens ungünstigen Entwicklung, insb. durch die von ihm sanktionierte passivische Verwendung von fähig erschwert jede Art von Sprachaufklärung. Leserbrief zu "zukunftsfähig"
Deutsch grundgesetzfähig?
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