Mit "fähig" gebildete Suffixoide Ein Suffixoid ist laut Duden ein Wortbildungsmittel, das sich aus einem selbstständigen Lexem zu einer Art Suffix entwickelt hat und sich vom selbstständigen Lexem durch Reihenbildung und Entkonkretisierung unterscheidet (z.B. -papst in Literaturpapst).
Die mit dem Suffix "-fähig" gebildeten (adjektivischen) Suffixoide sind sprachliche Neuschöpfungen, die sich allenfalls zum Verhunzen der Sprache eignen, weniger dazu, als Zeichen einer natürlichen Sprachentwicklung zu gelten. Neuerster Begriff ist "paßfähig" im Zusammenhang mit akademischen Graden.
Es gibt bereits eine lange Liste der gängigen Suffixoide, von deren Verbreitung zum Wohl der Sprache abzuraten ist. Die Beurteilungen darüber, welche Ausdrücke gutes, falsches oder schlechtes Deutsch sind, gehen auch unter Fachleuten auseinander. Ich schlage daher drei Gruppen vor, durch die sich die Suffixoide voneinander unterscheiden lassen. Vielleicht wird es dann leichter zu beurteilen, ob sie den gängigen Regeln der Sprache entsprechen oder nur Ausdruck von schlampigem Deutsch sind.
Gruppe 1: Verb-Suffixoide, Suffixoide, die von Verben abgeleitet sind, ("dehnfähig" von dehnen, "explodierfähig" von explodieren, "lernfähig" von lernen, "fahrfähig" von fahren, "zitierfähig" von zitieren usw.),
Hier ist "fähig" jeweils durch "bar" ersetzbar. Dabei wird aus dem aktivischen ein passivischer Sinn ("dehnfähig" zu "dehnbar", "fahrfähig" zu "fahrbar"). Das Unterscheiden zwischen "fähig" und "bar" fällt sogar dem Duden schwer. Er sieht bspw. in der Butter einen "streichfähigen" Aufstrich.
Gruppe 2: Verbalsubstantiv-Suffixoide, Suffixoide, die von Verbalsubstantiven abgeleitet sind, ("abstimmungsfähig" von abstimmen/Abstimmung, "anrechnungsfähig" von anrechnen/Anrechnung, "aufnahmefähig" von aufnehmen/Aufnahme usw).
Bei diesen Wörtern kann die passivische Form nicht mit "bar", sondern allenfalls mit Adjektiven wie "geeignet", "tauglich", "würdig" etc. (abstimmungsgeeignet, aufnahmetauglich) gebildet werden. Eine Möglichkeit, die der Duden wegen angeblichen Fehlens geeigneter Adjektive nicht sieht und damit den Irrweg mit "fähig" empfiehlt, der die Pseudofähigkeiten schafft. Eine andere Form ist ratsamer, nämlich die gemäß Gruppe 1, indem auf das Verb zurückgegriffen wird (statt "abstimmungsgeeignet" wird "abstimmbar", statt "anrechnungsfähig" wird "anrechenbar" gesetzt).
Gruppe 3: Substantiv-Suffixoide, Suffixoide, die ausschließlich von Hauptwörtern abgeleitet sind, ("amtsfähig" von Amt, "atomwaffenfähig" von Atomwaffen, "beihilfefähig" von Beihilfe, "börsenfähig" von Börse, "kabarettfähig" von Kabarett, "friedensfähig" von Frieden usw.
Mit ihren Formen ist eine unermeßliche "Bereicherung" der deutschen Sprache zu erwarten. Denn praktisch kann je nach Laune und Einfallsreichtum jedes in der deutschen Sprache verfügbare Hauptwort zum Ausdruck einer "Fähigkeit" benutzt werden.
Hier einige besonders absurde Fälle: Der küchenfähige Kühlschrank, das spielzeugfähige Kind, die kannenfähige Milch, das metzgerfähige Fleisch, der wohnungsfähige Mieter, das handwerkerfähige Werkzeug, straßenfähige Autos, die zimmerfähige Blume usw. usw.
Diese Begriffe haben den Nebeneffekt, daß sich jeweils reziproke Ausdrücke bilden lassen. So der kühlschrankfähige Wohnwagen, das kindfähige Spielzeug, der fleischfähige Metzger, die mieterfähige Wohnung, der werkzeugfähige Handwerker, autofähige Straßen und das blumenfähige Zimmer. Auf diese dudenfähige Weise kann die deutsche Sprache mit beliebig vielen Kombinationen verhunzt werden.
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