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Leser/Hörer-Briefe / HB zu akad. Graden BR / Bogdahn - Übersicht / Bogdahn 2. Versuch
 

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Ach, lieber Herr Doktor ...
 Achim Bogdahn, Moderator des Tagesgesprächs im Bayerischen Rundfunk, weiterhin im Titelrausch - 2. Akt - 1 Jahr später (1. Akt)

 

Ein Jahr weiterhin erfolgreiches Moderieren hat Bogdahns Vorliebe für akademische Grade und Titel nicht mindern können. Das ist um so erstaunlicher, als er fast täglich erleben konnte, wie seine Kolleginnen und Kollegen den normalen, d. h. titellosen Umgang mit den Studiogästen unüberhörbar pflegten. Oder vermied er es grundsätzlich, Tagesgespräche zu verfolgen, die er nicht moderiert? Ich schrieb daher ein Jahr später erneut an Bogdahn und wies ihn auf seine gesellschaftspolitische Vorbildstellung hin. Das Thema schien auch gut zum Anlaß meines Schreibens zu passen: "Der Konservatismus" (am 24.08.2006)

Sehr geehrter Herr Bogdahn,

das gestrige Tagesgespräch haben Sie wieder souverän moderiert. Ich staune immer wieder, wie es Ihnen, und auch den Damen gelingt, aus dem Wirrwarr mancher Anrufer den Hauptgedanken herauszufiltern und dem Hörer damit das Verständnis zu erleichtern, oft erst zu ermöglichen.

Doch nun habe ich einen Wermutstropfen in meinem Lob. Sie haben gestern in protokollarischer Hinsicht ein eindrucksvolles Beispiel für konservatives Verhalten geliefert, allerdings konservativ nicht im Sinne von Werterhaltung, sondern im Sinne von Pflegen alter Zöpfe (1). Ich meine die längst überholte ständige Verzierung des Namens mit dem Doktorgrad, im Volksmund auch Titel genannt. Ich habe noch die Zeit erlebt, in der die
Ehefrau eines Arztes mit „Frau Doktor“ angeredet wurde. Heute wird darüber gelacht. Die jüngere Generation zeigt heute ein entkrampftes Verhältnis zu den akademischen Würden, wohl auch in Kenntnis zweifelhafter Methoden und Leistungen zu deren Erlangung (2, 3, 4). Akademische Grade sind nun mal kein Bestandteil des Namens (5) und es besteht auch keine Verpflichtung, den Träger eines akademischen Grades oder Titels (Professor) damit anzureden (6).

Die Anrede damit ist auch kein Erfordernis der Höflichkeit. Wäre es das, dann wären alle Autoren und Redakteure in Druckmedien, Funk und Fernsehen sowie die vielen Moderatoren in den Talkrunden unhöflich. Bedenken Sie bitte auch, dass Sie die Damen der Redaktion (Heinzeller, Krüger und Kötting) als unhöflich hinstellen, wenn sie ihre Gäste völlig legitim (nur) mit dem Namen anreden. Auch unter Akademikern ist die Titelei unüblich. Sind sie also auch unhöflich zu einander? Sie finden allenfalls in Herrn Buchberger vom Gesundheitsgespräch einen Gleichgesinnten, dessen penetrantes Bedoktern der Internistin Marianne Koch nicht nur uns auf die Nerven geht.

Beim heutigen Studiogast wäre es angebracht gewesen, zu erwähnen, dass Herr
Müller-Vogg Volkswirtschaft und Politische Wissenschaften studiert hat. Das wäre eine Information, die dem Hörer hilft, die Meinung des Gastes zu beurteilen. „Doktor“ kann viel bedeuten und sagt wenig aus. (Das gilt für alle Gäste in den Tagesgesprächen.) Übrigens wird in den vielen Tausend Fundstellen in Google zu Herrn Müller-Vogg nur ganz vereinzelt (ca. 0,1 %) das Kürzel „Dr.“ erwähnt. Auch hier ein Beispiel für die Wichtigkeit, die
akademischen Graden heute noch beigemessen wird. Ob es für die Gesellschaft vorteilhaft ist, die überholte Anrede vergangener Zeiten zu pflegen, möchte ich bezweifeln. Sie hilft nur, Vorurteile zu bewahren. Mit Ihrer liebenswürdigen Schwäche für akademische Verzierungen sind Sie kein nachahmenswertes Vorbild für die Hörer und Seher des Tagesgesprächs.

Ich würde mich freuen zu wissen, sehr geehrter Herr Bogdahn, dass ich Sie wenigstens nachdenklich stimmen konnte. Aber vielleicht haben Sie gar nicht erst bis hierhin gelesen. Ob Sie mal in meine Webseite schauen werden?

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Werner

(1). www.sprache-werner.info/index.php?id=1902
(2). www.sprache-werner.info/index.php?id=1907
(3). www.sprache-werner.info/index.php?id=5545
(4). www.sprache-werner.info/index.php?id=2495 „Doktoranten auf krummen ..“
(5). www.sprache-werner.info/index.php?id=2650
(6). www.sprache-werner.info/index.php?id=1923

Edmund Stoiber, bayerischer Ministerpräsident, hat den weisen Spruch gesagt:

Konservativ sein heißt, liberal zu denken.

Im Umkehrschluß auf Achim Bogdahn bezogen kann gesagt werden,

liberal zu denken heißt, sich konservativ zu verhalten.

Die nächste Sendung hat gezeigt, daß sich Achim Bogdahn von seinen konservativ-liberalen Zwängen nicht befreien kann.

Briefe an Herrn Bogdahn, Übersicht

 



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