Die Mahnung im Duden, diese Fügungen ("-mal so groß/-mal größer") nicht zu verwechseln, ist zwar gut gemeint, aber schon deshalb wirkungslos geblieben, weil er nicht dargelegt hat, warum. Obwohl beide Wendungen das Ergebnis eines Vergleichs bezeichnen, ist die zweitgenannte Formulierung beliebter, weil sie den Unterschied verbal hervorhebt (ist größer). In der zweitgenannten Wendung tritt er verbal in den Hintergrund (so groß wie). Das Fehlen diesbezüglicher Erläuterungen trägt nicht dazu bei, dem Auskunftsuchenden zu helfen. So ist die abstrakte Deutung in den Grammatikbänden von 1966 und 1998, wonach die komparativischen Gradadverbien "mehr" (eher) und "weniger" (nur) den ungleichen Grad (hinzuzufügen wäre "von unbekannter Größe") zweier Eigenschaften eines Wesens oder Dinges angeben, nicht durch ein Beispiel ergänzt ist, das einen Faktor enthält. Das Gleiche gilt besonders für die Negation des Komparativs (kleiner, tiefer, näher).
Dieser Faktor ist das Problem, das den Herren der Dudenredaktion nicht bewußt geworden ist. Mit den in den genannten Bänden den Beispielen zugefügten Faktoren, jeweils größer als eins, wurde offenbar der schlampige Sprachgebrauch berücksichtigt, allerdings nur unvollständig und teilweise unzutreffend. Besonders auffällig wird die Unstimmigkeit mit dem Faktor 1. Analog dem Produkt 1 mal 3 = 3 ist die Formulierung einmal mehr nicht mehr als der Ausgangswert, sondern er ist gleich dem Ausgangswert, bleibt also unverändert. Nach Dudendefinition wäre der Wert doppelt so groß.
In der Umgangssprache ist im Gegensatz zur Auffasung des Duden der Faktor eben nicht ausschließlich auf den Unterschied der Eigenschaften gerichtet, sondern mal auf den Unterschied und mal auf den Endwert. So kann dann "zweimal mehr" das Zweifache oder das Dreifache des Ausgangswertes bedeuten. Diese Ungewißheit zwingt den aufmerksamen Leser/Hörer immer zu überlegen und/oder zu prüfen, welcher Wert gemeint ist. Meistens findet er im Kontext keine Anhaltspunkte dafür und wenn, in seltenen Fällen, dann weiß er bei verschiedenen Werten immer noch nicht, welcher Wert gilt. Je kleiner der Faktor, desto größer ist die Differenz zwischen den verschiedenen Ergebnissen, von denen immer das eine falsch ist. Bspw. beträgt die Differenz beim Faktor 2 50 % (von unten gerechnet). Bei großen Faktoren wie 1 Million kann der Fehler vernachlässigt werden.
Eindeutige Aussagen sind: "viermal so groß wie" oder "fünfmal so groß wie" .... bzw. "auf das Vierfache" vergrößern oder "auf das Fünffache" vergrößern.
Wenn mit der Vervielfachung ein Endwert in Bezug zu einem Ausgangswert gesetzt werden soll, treten im Umgangsdeutsch ebenfalls Schwierigkeiten auf. So besteht ein großer Unterschied, ob ein Ausgangswert auf das Dreifache (Unterschiedsbetrag ist das Zweifache) oder um das Dreifache (Endbetrag ist das Vierfache des Ausgangswertes) erhöht wird. In einem konkreten Fall des bayerischen Kultusministeriums betrug der Fehler 35 Mill. DM.
Die multiplizierte Negation des Komparativs x-mal weniger, kleiner, langsamer führt zu unsinnigen Ergebnissen, weil der Komparativ als Multiplikand (= die zu mulitiplizierende Zahl, z. B. die 3 in 2 mal 3) im Produkt mit einem ganzzahligen Multiplikator (= die zu mulitiplizierende Zahl, z. B. die 2 in 2 mal 3) immer eine Vergrößerung des Absolutwertes erwarten läßt. Die Endwerte steuern dabei jedoch in den negativen Bereich. In den oben genannten Büchern des Duden ist die Negation des Komparativs (weniger, minder) zwar erläutert, jedoch ohne vor dem Einsatz eines Faktors zu warnen, was dringend notwendig wäre. Denn multiplizierte Negationen des Komparativs werden auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen sehr häufig verwendet.
Eindeutige Aussagen sind: auf ein Viertel (1/4) oder um drei Viertel (3/4) verkleinern. In Prozenten ausgedrückt: auf 25 % oder um 75 % verkleinern.
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