Die erneute Antwort von Herrn Sommer kam so schnell wie überraschend, allerdings der Situation entsprechen sehr kurz, jedoch mit dem intensiven Reiz, nochmals auf den nicht mehr zu tolerierenden Irrweg des möglicherweise künftigen Bayerischen Ministerpräsidenten hinzuweisen. Neurologen weisen oft darauf hin, daß auch sog. vernünftiges Handeln vom Gefühl bestimmt wird. Diese Erkenntnis läßt erwarten, daß jedes Gericht der Welt gegen Geltungssucht keine Chance hat.
Die angesprochenen Themen:
Die Dissertation von Herrn Beckstein darf nicht veröffentlicht werden
Wie lautet das Thema der und wo lagert die Dissertation von Herrn Sommer?
Der Doktor-„Titel-Drang bestärkt Vorurteile
Rechtsvorschriften werden zugunsten der Eitelkeit mißachtet
Dissertationen der „geistigen Elite werden verheimlicht
Der Doktorgrad ist kein lebenslang gültiges Gütesiegel für Leistung
Politiker sind in anderen Bereichen tätig als den studierten
Urteile höchster Gerichte werden für persönliche Belange mißdeutet
Der BGH erlaubt nicht die Eintragung des Doktorgrades im Paß
Im Paß sind persönliche Angaben nicht beliebig anzugeben
Höflichkeit besteht nicht in der Erwähnung von Graden und Titeln
Anne Will zur Bundeskanzlerin: „Frau Merkel. Ist das unhöflich?
Der Schildbürgerstreich: Kein sachlicher Grund dafür, mehr als 10 sachliche Gründe dagegen, nämlich gegen die Eintragung des Doktorgrades im Paß.
AN Bayerisches Staatsministerium des Innern Herrn RD Dr. Hans-Eckard Sommer München, den 16.4.2007
FH1-0142-2283 Der Doktorgrad im Paß Ihre E-Mail vom 12.4.2007
Sehr geehrter Herr Sommer,
es ehrt Sie, daß Sie mir nochmals geschrieben haben. Für Ihre Situation habe ich volles Verständnis, weniger dafür, mir nicht das Einverständnis für die Veröffentlichung der Dissertation ihres Chefs zu geben. Ich vermute, Sie haben Herrn Beckstein nicht gefragt. Warum sollte er sich weigern? Der Grund dafür, das Thema der Dissertation sei überholt, kann mich nicht überzeugen. Es ist der Normalfall, daß promovierte Politiker keine sachlichen Berührungspunkte mit ihrem Studienfach haben. Soll ich extra nach Erlangen oder Nürnberg fahren, um die Dissertation von Herrn Beckstein zu lesen? Fürchten Sie meine Enttäuschung und die Feststellung, einen weiteren Fall für Achim Schwarzes „Dünnbrettbohrer-Sammlung zu entdecken?
Wie wäre es denn mit Ihrer Dissertation? Wie lautet das Thema, wo liegt sie unter Verschluß? Ich sehe einen auffälligen Widerspruch darin, einerseits hartnäckig den öffentlichen Hinweis auf den akademischen Grad zu verteidigen, und zwar sowohl als Angabe im neuen Paß als auch in der Anrede als Ausdruck von Höflichkeit und andererseits die Dissertation unter Verschluß zu halten und es den Interessierten zu erschweren, sich über die in ihr dokumentierte wissenschaftliche Leistung zu informieren. Dieses Verhalten weckt Mißtrauen. Sind die Promovierten in dem Maße die geistige Elite, wie sie sich fühlen und angesehen werden möchten?
Es mag zwar legitim sein, traditionelle Privilegien zu verteidigen, wenn sie den Nichtprivilegierten nicht schaden. Wenn sie aber Vorurteile erzeugen, stärken und bewahren (der Herr Dr. Meier kann, weiß und leistet mehr als der Herr Meier), dann sind sie für eine Gemeinschaft auch im 21. Jahrtausend ungeeignet. Die meistens irrige Annahme ist weitverbreitet, der Promovierte würde nach dem Studium, besonders im Fall des von Ihnen, Herr Sommer, angeführten Tätigkeitswechsel die gleiche Leistungsfähigkeit und bereitschaft zeigen wie während des Studiums. So als wäre der Doktorgrad ein lebenslang gültiges Gütesiegel für Denk- und Handlungskompetenz. Und wer hat ein Interesse daran, diesen Irrtum im Volk zu erhalten? Bestimmt nicht die Akademiker ohne Doktorgrad. Forscher, Ärzte, Anwälte, Ingenieure und viele andere genießen nicht, obwohl ebenbürtig in Leistung und Wissen, den Vorteil der akademischen Verzierung des Namens.
Kein rühmliches Beispiel für vorbildliches Verhalten sind staatliche Repräsentanten, die im Verfolgen ihrer sehr persönlichen Belange Rechtsvorschriften nicht nur ignorieren, sondern so auslegen, daß ihre Maßnahmen und Forderungen als rechtlich zulässig und begründet erscheinen. Zu diesen persönlichen Belangen gehören das Befriedigen von Eitelkeiten, den Ausgleich mangelnden Selbstbewußtseins und das Anfordern von Respekt.
Eine solche - mit Verlaub „zurechtgebogene Auslegung des BGH-Urteils demonstrieren Sie mit Ihrer nebenbei eingeschobenen „Bemerkung, der BGH habe die Eintragbarkeit akademischer Grade ausdrücklich bejaht. Woher nehmen Sie diese Erkenntnis im Allgemeinen und im Besonderen, nämlich bezogen auf den Reisepaß? Sie legen einen Sinn in das Urteil, der weder wörtlich entnehmbar noch (indirekt) ableitbar ist. In welchen Wörtern, Worten und Begriffen sehen Sie die „ausdrückliche Bejahung? Der BGH hat eine Verpflichtung zur Aufnahme akademischer Grade in öffentlichen Urkunden eindeutig und unmißverständlich nicht bejaht.
Sie ignorieren die Art der Dokumente, auf das sich das Urteil bezieht, nämlich auf Personenstandsbücher und Personenstandsurkunden. Ausweisdokumente, insb. den Reisepaß hat der BGH nur und das sogar im ausschließenden Sinn genannt, indem er nicht nur in der Sache selbst der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts beipflichtet, daß der akademische Grad kein Namensbestandteil ist, sondern der BGH weist auch auf das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 5, 291 hin. Der Leitsatz dieses zur Bekräftigung seiner Ansicht angezogenen Urteils lautet:
„Der Inhaber eines Doktortitels hat nach geltendem revisiblen Recht keinen Anspruch darauf, daß dieser Titel in der Namensspalte seines Berliner „behelfsmäßigen Personalausweises eingetragen wird.
Was hätte der BGH noch schreiben sollen, um die Einsicht bei fachlichen Profis zu bewirken, wenigstens zu fördern, daß der Doktorgrad im Paß nicht zulässig ist, wenn schon ich als ein rechtlicher Laie seine Gedankengänge verstehe und zu würdigen weiß?
Der BGH hat also sogar nicht einmal für Personenstandsbücher und Personenstandsurkunden eine Verpflichtung für die Angabe des akademischen Grades gesehen, sondern nur eingeräumt, der akademische Grad könne nicht müsse - (auf Grund ständiger Übung) aufgenommen werden. Auch im Tenor des Beschlusses stellt der BGH nur eine Möglichkeit fest und keine Verpflichtung, wie Sie sie herauslesen wollen. „Es komme auf die tatsächliche Übung an, so der BGH. Auch hier gilt, daß derartige „tatsächliche Übungen auch einmal, z. B. nach inzwischen 45 Jahren nicht mehr aktuell und begründet sind, sollte heute eigentlich zum sozialen Fachwissen gehören.
Nochmals: Wenn es gemäß BGH-Urteil der Verwaltungspraxis und entsprechenden Regelungen überlassen bleiben soll, daß und welche akademischen Grade aufgenommen werden, so gilt dies ersichtlich nur für Personenstandsbücher und urkunden, die Gegenstand des Verfahrens waren. Wie daraus auf die zu schließen sein soll, den Bezug des BGH-Urteils aus 1962 auf öffentliche Urkunden und Dokumente aller Art auszudehnen, ist mir unverständlich. Der BGH hat in seinem Urteil einen derart weiten Geltungsbereich nicht gezogen, ihn nicht einmal angedeutet.
Die von Ihnen, sehr geehrter Herr Sommer, bekundete Folgerung, das BGH-Urteil stehe „daher einer ausdrücklichen Regelung im Paßgesetz überhaupt nicht entgegen, setzt eine dem Urteil nicht entnehmbare Verallgemeinerung voraus. und eine unbegründete und unzulässige Auslegung des Urteils.
Und noch ein Argument, das Herr Beckstein und Sie bei Ihrer Doktorgrad-Initiative übersehen. Es besteht für Promovierte keine gesetzlich angeordnete Verpflichtung, den Doktorgrad in Dokumenten anzugeben. Es steht jedem Bürger frei, ihn wo auch immer zu nennen, also auch im Paß. Es widerspricht Sinn und Zweck eines Reisepasses, darin Daten aufzunehmen, die der Entscheidung des Paßinhabers unterliegen.
Mit Ihrer im letzten Satz vertretenen Meinung fühle ich mich betroffen. Danach wäre meine Anrede ohne den Doktorgrad ein Zeichen von Unhöflichkeit. Mit den „allgemein geltenden Regeln der Höflichkeit scheinen Sie von den Umgangsformen in Ihrem Ministerium als Norm auszugehen und daraus zu folgern, daß diese Gewohnheiten, meistens in hierarchisch gestalteten Organisationen (Ministerien, Krankenhäuser, Universitäten, Firmen) verbreitet, tatsächlich allgemein geltende Regeln wären. Die Wirklichkeit, und zwar außerhalb Ihres und der genannten Wirkungsbereiche zeigt ein anderes Bild, wie die täglichen Berichte von Zeitungen, Funk- und Fernsehsendungen sowie die Umgangsformen der jüngeren Generation belegen. Jedenfalls weise ich Ihre Unterstellung zurück. Meine Höflichkeit zu jedermann drücke ich seit 1962 (Jahr des BGH-Urteils) nicht durch das Nennen von akademischen Graden und Titeln aus, sondern durch mein Verhalten in Wort und Schrift.
Anne Will, die das in der SZ vom vergangenen Wochenende veröffentlichte Interview mit der Bundeskanzlerin geführt hat, würde Ihren Vorhalt ebenfalls entschieden zurückweisen, sie habe sich mit der Anrede „Frau Merkel unhöflich verhalten. Auch der Bundespräsident wird nie mit der Doktorverzierung genannt. Und die Promovierten untereinander? Gibt es bei ihnen keine Höflichkeit in Ihrem Sinn?
Es ist mir unbegreiflich, wie sich juristisch gebildete Politiker für eine landesweit geltende gesetzliche Regelung einsetzen können, für die es keinen einzigen sachlichen Grund gibt, aber mindestens 10 sachliche Gründe dagegen.
Ich bedaure, meinen Brief nur mit dem Ausdruck tiefer Enttäuschung beenden zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Ulrich Werner
P.S. Wegen der auch vom Herrn Minister erkannten großen Bedeutung des Themas habe ich alle Briefe und Artikel dazu im Internet veröffentlicht.
Der vorangegangene Briefwechsel:
Dr. Becksteins Titelkampf - 2. Antwort von Dr. Sommer 12.4.2007
Dr. Becksteins Titelkampf - um einen personenstandsrechtlichen Schildbürgerstreich -Antwort an Dr. Sommer 8.4.2007
Dr. Becksteins Titelkampf - Dr. Sommer antwortet 5.4.2007
Dr. Becksteins Titelkampf - Brief an Bayerns Innenminister, der den Doktorgrad im Paß belassen will. 17.2.2007
Weitere Informationen zum Thema
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