Um mich bei Regierungsdirektor Sommer als ehemaliger Beamter der selben Besoldungsgruppe zu "outen", schrieb ich ihm als Regierungsdirektor i. R.
Bayerisches Staatsministerium des Innern Herrn RD Dr. Sommer
München, den 8.4.2007
FH1-0142-2283 Der Doktorgrad im Paß Ihre E-Mail vom 5.4.2007
Sehr geehrter Herr Sommer,
vielen Dank für Ihre Antwort. In meiner E-Mail vom 17.2.07 habe ich Herrn Beckstein meine Bedenken gegen seine Forderung mitgeteilt, den Doktorgrad weiterhin im Paß einzutragen. Meine Meinung kann ich schon deshalb nicht ändern, weil Sie auf meine ausführlichen Darlegungen nicht eingegangen sind. Mit fehlt daher auch ein Anhalt dafür, daß Herr Beckstein meine mit Ernst und Engagement erläuterten Argumente, die gegen seinen Antrag sprechen, gelesen hat.
Aufgefallen ist mir in Ihrem Brief die wiederholte Angabe von Amtstitel und Doktorgrad, dieser in üblicher- und nach wie vor unverständlicherweise als universell zu deutendes Zweibuchstaben-kürzel (Dr.). Das auffällige Hervorheben beruflicher und akademischer Bezeichnungen zeigt das Festhalten an jahrhundertealten Traditionen, mit dem sich ein bestimmter Personenkreis gegen den zunehmend legeren zwischenmenschlichen Umgang in einem modernen Staat wehrt. Ich möchte die Notwendigkeit bezweifeln, weiterhin schon in der Anrede den offenbar auf andere Weise nicht erzielbaren Respekt abzuverlangen. Höflichkeit kann anders und eindringlicher ausgedrückt werden als durch die akademische Verzierung des Namens. Welche sachlichen Gründe kann Herr Beckstein vorbringen, die Namenszeile im Ausweis mit einem Hinweis zu einer höflichen Anrede zu füllen? Auskünfte über den akademischen Werdegang, das Kürzel „Dr. bietet hierzu nur eine sehr geringe Information, gehören zu den Angaben im Lebenslauf eines Menschen.
Im genannten Hinweis des Herrn Beckstein, es wäre ein „falsches bildungspolitisches Signal, wenn der Doktorgrad nicht mehr im Paß eingetragen würde, liegt m. E. die indirekte Behauptung, die Eintragung des Doktorgrades im Paß wäre das richtige bildungspolitische Signal. Ob da das fakultätslose Kürzel da nur die paar Lux einer Wachskerze liefert? Bitte, sehr geehrter Herr Sommer, erklären Sie mir, warum wird dann nur der Doktorgrad und nicht konsequenterweise alle akademischen Grade im Paß eingetragen? Auch akademische Auszeichnungen sowie Staatsexamen, Nobelpreise und dergl.? Kennt Herr Beckstein den historischen Ursprung für die Einführung des Doktorkürzels? Will er den Titelhandel fördern und auch seine Tradition festigen? Kennt er das für die Abgeordneten der CSU einst akademisch so erfolgreiche Wirken des Strauss-Freundes Bossle in der sog. Doktorfabrik zu Würzburg?
Ob das von Herrn Beckstein angestrebte bildungspolitische Signal so hell strahlen wird, wie er es sich wünscht, wenn der Bürger an die diversen Mißbräuche denkt, die mit dem Kürzel „Dr. verbunden sind? Auch das Wissen um die nicht selten bedenklich niedrigen Leistungs-anforderungen mit einem geringen bildungspolitischen Wert der Dissertationen dürfte die von Herrn Beckstein angestrebte Signalwirkung mindern. Ich schätze Herrn Beckstein als klugen Politiker. Er enttäuscht mich jedoch nicht zu erkennen, daß er mit dem Eintreten für eine nicht Identifikationszwecken dienende und rechtssprechungswidrige Angabe im Ausweis den Mißbrauch dieses staatlichen Dokumentes befürwortet. Auch seine diesbezügliche Unterstützung durch den Ministerpräsidenten, Herrn Stoiber, ändert nichts daran, daß er mit seinen Bestrebungen bei der Paßgestaltung die Mißachtung rechtsstaatlicher Prinzipien anstrebt, die für die Bürger des Landes kaum als Vorbild dienen kann. Es fehlt seit vielen Jahren eine amtliche Begründung dafür, daß sowohl Landes- als auch Bundesbehörden konsequent die höchstrichterliche Rechtsprechung mißachten, und zwar sowohl in gesetzlichen Aktionen als auch im amtlichen Schriftverkehr. Seit über 40 Jahren (1962) gilt das Urteil des BGHs, daß akademische Grade allgemein und der Doktorgrad im besonderen KEIN Bestandteil des Namens sind. Ist dieses Urteil in Ihrem Hause nicht bekannt? Ich kann nur hoffen, daß in der Sitzung am 23. April in Berlin meine im StMi-Bayern kaum beachteten Gründe, die gegen die Eintragung des Doktorgrades im Ausweis sprechen, angemessen gewürdigt werden und damit ein personenstandsrechtlicher Schildbürgerstreich verhindert wird.
Andererseits verstehe ich die Sorge von Herrn Beckstein im Bildungsbereich des Landes. Ich schätze auch seine Bemühungen gegen Nivellierung und Egalisierung darin. Um deshalb Herrn Beckstein zu unterstützen biete ich an, auf meiner Webseite (durchschnittliche Zahl der Klicks im März: 6.500/Tag) die Dissertationen von Promovierten, bspw. zunächst des Bayerischen Staatsministerium des Innern zu veröffentlichen. Warum soll der Schatz wissenschaftlicher Erkenntnisse unserer geistigen Elite der Öffentlichkeit weiter vorenthalten bleiben? Damit würde unser geisteswissenschaftlicher Nachwuchs angespornt und vor allem im Sinn von Herrn Beckstein eine wirksamere weil leicht zugängliche Dokumentation aufgebaut und der Bildungs-bereich bereichert.
Ich schlage vor, mit der Dissertation von Herrn Beckstein zu beginnen, womit er auch im Hinblick auf seine absehbare politische Funktion als künftiger Ministerpräsident von Bayern als Vorbild für weitere Promovierte handeln würde. Um Modalitäten und Formalitäten zu besprechen stehe ich jederzeit zur Verfügung.
Ich sehe der Zustimmung zu meinem Vorschlag mit großer Hilfsbereitschaft entgegen und bitte Sie, Herrn Beckstein meine herzlichen Grüße zu übermitteln. Auch Ihnen herzliche Ostergrüße
Ihr Ulrich Werner
Sommer antwortet wieder, 12.4.2007
Meine Antwort darauf, 16.4.2007
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