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Die Verdopplungsmanie der Medien

 Der Doppelpass – ein sprachlicher Fehlpass

Von Ulrich Werner

 

 Die Verdopplungsmanie der Medien  - von Ulrich Werner 

Sprachverhunzung mit weitreichendem Einfluss
In den vergangenen Wochen häuften sich die Artikel in der SZ zum Staatsangehörigkeitsrecht:

„Ein zweiter Pass für alle Fälle“, SZ v. 7.3.,
„Tausche Doppelpass gegen Asylrecht“, SZ v. 19.3.,
„Lebensfremder Kompromiss“, SZ v. 19./20.3. und
„Der Spinnen-Fliegen-Kompromiss“, SZ v.2.4, Untertitel „Union und SPD haben sich auf ein neues Staatsangehörigkeitsrecht geeinigt. Das aber enthält einige Merkwürdigkeiten.„

 Der letztgenannte Artikel stammt von Cristine Langenfeld, Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Sie lehrt Öffentliches Recht an der Uni Göttingen. In allen Veröffentlichungen werden eine Vielzahl von Begriffen genannt wie Doppelpass, Zweitpass, zweiter Pass, Doppelstaatler, ausländischer Pass, Mehrstaatigkeit, doppelte staatsangehörigkeit und Mehrfachstaatsangehörigkeit. Eine Aufzählung, die nicht nur „Merkwürdigkeiten“ enthält, um Langenfelds Bezeichnung zu verwenden, sondern klassische Absurditäten, besonders verschiedene Verdopplungen. 

Die absurden Verdopplungen in den Medien
Behörden fielen noch nie durch vorbildliches Deutsch auf. Doch in diesem Fall liegt der Schwarze Peter nicht in „Berlin“. Das aktuelle Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) enthält keinen einzigen dieser Schwammdeutschbegriffe wie Doppelpass und doppelte Staatsbürgerschaft. Die Menschen lesen und hören diese Sprechblasen ständig in den Medien aller Art und glauben, es sei gutes Deutsch. Der Unterschied zwischen den neuen Sprachschöpfungen Doppelstaatigkeit und Mehrstaatigkeit sowie zwischen Doppelpass und Zweitpass wird nicht erläutert.

Vor allem der häufig genannte Ausdruck Doppelpass führt in die Irre. Bisher hat noch kein mit dem Problem mehrerer Staatsbürgerschaften befasster Politiker oder Journalist erklärt, wie dieses Fantasie-papier hergestellt wird und gestaltet ist. Erfolgt die Verdopplung durch Kopieren eines Passes und Eintrag einer zweiten (oder doppelten (?) Staatsbürgerschaft? Dadurch wären plötzlich im Wider-spruch zum Einzahlwort (Doppelpass) zwei verschiedene Pässe entstanden, die ohne weitere Angaben nicht unter-scheidbar sind. Der Ausdruck Doppelpass für verschiedene Staaten ist eine verbale Fehlkonstruktion. Dagegen erzeugt das von mir vorgeschlagene Wort „Zweitpass“ eine klare Vorstellung von Sinn und Zweck der ganz speziellen Ausgabe des Hochsicherheitsdokumentes. Diese Auffassung wurde mir von höherer Redaktionsebene der SZ zwar bestätigt, aber mehrere Leserbriefe zu diesem Thema, worin ich meine Meinung ausführlich begründete, blieben unveröffentlicht.

Der Duden, Fachinstanz für umgangssprachliche Sprachverhunzungen, die er mit dem Zusatz „umgangs-sprachlich“ in seinen Wörterbüchern abzumildern versucht, bietet erwartungsgemäß keine klare Definition. Dagegen zeigen gängige Beispiele aus der Umgangssprache wie Zweitfrisur statt Doppel-frisur, „Zweitwohnung“ statt „Doppelwohnung“, „Zweitwagen“ statt „Doppelwagen“ und besonders der „Zwillingsfall“, bei dem der Zweitgeborene nie als Verdopplung des Erstgeborenen bezeichnet wird, den massiven Fehlgriff bei der verbreiteten Wortwahl (Doppelpass) für den zweiten Pass. Der absurde „Doppelpass“ hat gute Aussichten für einen Stammplatz in den Wörterbüchern. Allerdings auch im Wörterbuch Dummdeutsch.  

Welche Staatsbürgerschaft ist die beste?
Wer im „Zweitpass“ eine Rangfolge als Nachteil zu sehen glaubt, wie ein geschätzter Redakteur der SZ, bewertet einen Gegenstand, der nicht ihn, sondern nur den Passinhaber persönlich betrifft. Welcher von zwei Passen für den Inhaber erst- oder zweitrangig ist, hängt nicht einmal vom Zeitrang der Ausstellung ab, sondern unterliegt ausschließlich der per Beurteilung des Passinhabers.

Wenn Stempel stören
Dem „Zweitpass“ steht auch nicht entgegen, dass dieser Begriff im Passwesen bereits bekannt ist und in Sonderfällen verwendet wird. Mit ihm vermeiden Geschäftsreisende Probleme in bestimmten Ländern wegen Einreisestempel von anderen Ländern. Falls die zusätzliche Verwendung des „Zweitpasses“ stört oder das deutsche Passwesen sogar in Frage stellt, ständen andere Bezeichnungen zur Auswahl wie „Identpass, „D-Pass“ oder eine modifizierte Passnummer.

Der verschwurbelte Koalitionsvertrag
Seit Jahrzehnten verbreiten die Medien aller Art regelmäßig fehlerhaftes „Deutsch“. Neuerdings sogar mit ein einer Glosse verteidigt. Sprachvereine bemühen sich redlich mit Aufklärung. Der einzelne Sprach-liebhaber steht hier auf verlorenem Posten. Nach ca. 30 Jahren und hunderten von gleichlautenden Hinweisen ist er fast bereit zu resignieren.

Auch in den Parteien herrscht offenbar sprachliche Mittellosigkeit. Thomas Paulwitz, Schriftleiter der Deutschen Sprachwelt, berichtete aus Berlin in den Wiener Sprachblättern (März 2014) über den Koalitionsvertrag. In sprachpolitischer Sicht sieht er im Vertrag „ein äußerlich wenig ansehnliches Sprachgewand: Die Verständlichkeit ist stark eingeschränkt. Eine Untersuchung der Universität „Hohenheim“, so Paulwitz weiter, „bestätigt diesen ersten Eindruck. Die Wissenschaftler bezeugen, dass der Koalitionsvertrag „selbst für einen Fachtext formal sehr unverständlich“ ist. Der Vertragstext erreicht lediglich 3,48 von maximal 20 Punkten. Das Urteil der Hohenheimer ist vernichtend: „Damit ist der Koalitionsvertrag unverständlicher als politikwissenschaftliche Doktorarbeiten.“ – Und diese gelten als besonders verschwurbelt. In der Schule hieße es dann wohl: „Versetzung gefährdet“.

Die pragmatische Lösung
Am einfachsten und bequemsten für die Menschen, jedoch am Schlimmsten für das Kulturgut Sprache, sind Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit, unterstützt vom menschlichen Gehirn. Es liefert sofort eine Begründung, die sogar mindestens vorübergehend das Gewissen zufrieden stellt, bis die nach-plappernde Gesellschaft einschließlich Dudenredaktion als Beruhigungsdroge wirkt. Aktive Sprachschützer werden dann als Störenfriede diffamiert. Mit dem üblichen Hinweis auf die natürliche Entwicklung der Sprache werden die medial verbreiteten Verhunzungen nach angemessener Zeit toleriert und im Sprachschatz integriert.

Was nützt es, wie von Bundesregierung und Parteien gefordert, in den europäischen Behörden die Deutsche Sprache aufzuwerten, wenn sie nicht einmal im Heimatland beachtet und gepflegt wird?

Ulrich Werner

Links zum Thema

Der Unsinn mit dem Doppelpass                              

Die doppelte Staatsbürgerschaft                              

Zum ver-Pass-ten Doppelunsinn                           

Ein zweiter Pass für alle Fälle 

Generalangriff oder Glosse?  



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