BGH - Beschluss - vom 04.09.2013 XII ZB 526/12
PStG §§ 1, 21 Akademische Grade sind seit dem Inkrafttreten des reformierten Personenstandsgesetzes am 1. Januar 2009 nicht mehr in Personenstandsregistern (hier: Geburtenregister) einzutragen.*) BGH, Beschluss vom 04.09.2013 - XII ZB 526/12
vorhergehend: OLG Nürnberg, 08.08.2012 - 11 W 1282/12 AG Regensburg, 29.03.2012 - UR III 1/12
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 8. August 2012 aufgehoben. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.
Erneut hat sich der Bundesgerichtshof mit akademischen Graden befasst. Ihre Funktion als Bildungssignal wird ergänzt durch die selten eingeräumte aber willkommene Hilfe zum Stärken des Selbstbewusstseins und Ausgleichen von Komplexen. Es liegt daher nahe, die zwei das Prestige einer Person fördernden Buchstaben (Dr.) an der Stelle zu platzieren, die eine Person deutlich markiert, dem Namen. Akademische Grade, häufig Titel genannt, sind somit in ihrer namensrechtlichen Bedeutung unübertroffen. Dementsprechend wird der Titel seit langem in den Ausweispapieren eingetragen. Die Rechtsprechung lehnt dies ab.
So stellten höchste deutsche Gerichte (Bundesgerichtshof (1962) und Bundesverwaltungsgericht (1957) schon vor über 50 Jahren fest, dass akademische Grade kein Bestandteil des Namens sind. Vielleicht wurden die Urteile nicht ernst genommen, weil es sich jeweils um den Eintrag im Personenstandsregister handelte. Oder die betroffenen Kreise und Personen fürchteten die Konsequenzen des Urteils, plötzlich ohne Titel leben zu müssen, und ignorierten es einfach. Eine andere Vermeidungs-methode bestand darin, ein Netz mit einer Vielzahl von Verwaltungs-verordnungen und Urteilen zu spinnen, worin sich Verwaltungsbeamte schwer und Bürger kaum mehr zurechtfanden. Der Doktorgrad, bei allem vorsichtigen Respekt vor der in der Regel unbekannten Leistung, dennoch traditionell hochgeachtet und unbemerkt ständig zunehmend unbegründet überbewertet, überstand somit alle Versuche, ihn als lebenslange Leuchtboje von seinem Stammplatz im Namensfeld der Ausweisdokumente zu verdrängen, obwohl er dort völlig unberechtigt und vor allem urteils-widrig eingetragen war. Eine eindeutige Rechtslage ist nicht entstanden. Die Behörden stöhnten wegen des enormen Verwaltungsaufwand durch das absurde deutsche Titelwesen.
Sogar Wolfgang Schäuble scheiterte
Nicht einmal Wolfgang Schäuble, promovierter Jurist und Bundesinnenminister, gelang es vor 6 Jahren, den Doktorgrad aus den Hochsicherheitsdokumenten Pass und Ausweis zu entfernen. Vor allem wollte er die Verwaltung entlasten und Irritationen beim Grenzübertritt verhindern. Doch der Traditionshüter Beckstein aus Bayern verhinderte die Annahme Schäubles Antrag im Bundesrat. Weitere Versuche von privater Seite und im Vorjahr von den Grünen, die Ausweisdokumente titelfrei zu gestalten, scheiterten ebenfalls an den einflussreichen Titelpflegeaktivisten.
Manchem Bundesbürger ist der Titel so wichtig, dass er ihn als glücklicher Vater unbedingt auch im Geburtenregister präsentieren wollte. Er scheute sogar nach Ablehnung der Eintragung nicht den Weg über mehrere Instanzen, um sein Ziel zu erreichen. Dieses Mal hoffentlich zum Vorteil für die Gesellschaft, allerdings für ihn als Kläger mit Enttäuschung: kein Eintrag im Geburtenregister.
Ob der Gesetzgeber den verbalen Holzhammer spürt und endlich Tätig wird?
Die Ausführlichkeit der Urteilsbegründung lässt das Bemühen des Gerichts erkennen, an die immer noch geltenden Feststellungen vor über 50 Jahren zu erinnern und den Gesetzgeber zu drängen, die jahrzehntelange Missachtung der Rechtsprechung zu beenden. Außer auf bekannte schlüssige Argumente stützte sich der Senat auch auf den Hinweis im Personenstands-Änderungs-gesetz vom 7.5.2013, wonach die Angabe des akademischen Grades nach dem ab 1. Januar 2009 geltenden Personenstandsrecht nicht mehr vorgesehen ist.
Schaft ein Baby die Revolution im deutschen Titelwesen?
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Leserbrief an die SZ
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